Die empfindlichste Stelle des ganzen Schulgebietes
berühre ich wohl mit der Besprechung des Minderheitsschulwesens.
Es kommt mir vor, als ob diese Krankheitserscheinung noch nicht
richtig erkannt, noch nicht auf dem richtigen Wege der Genesung
zugeführt würde. Aber auch diese Frage muß bereinigt
werden, auch auf diesem Gebiete muß sich der Wille der Völker
nach Ruhe durchringen. Es geht nicht an, daß von
èechischer Seite über die schlechte Unterbringung
einer ganzen Anzahl von Minderheitsschulen geklagt wird, ohne
daß im selben Augenblick auch ein Ausweis der diese Schulen
besuchenden èechischen Kinder erbracht wird. Sicherlich
sind die Ansprüche auf Errichtung einer Minderheitsschule
bei Vorhandensein einer entsprechenden Anzahl von Kindern zu berücksichtigen,
aber dann auf beiden Seiten bei derselben Zahl vorhandener Schulkinder.
Es geht nicht an, daß auf èechischer Seite
das Verlangen gestellt wird, für ein, zwei oder drei vorhandene
èechische Kinder eine Schule zu erhalten oder neu zu eröffnen,
und auf deutscher Seite die Forderung nach Eröffnung von
Privat- oder Minderheitsschulen, bei Schülerständen
von 15, 20 bis 45 in den historischen Ländern
und bis 120 in der Slovakei und in Karpathorußland unberücksichtigt
zu lassen. (Posl. Heeg er: Sie sind ja in der Regierung!) Deshalb
sind wir daran, das langsam zu verbessern, In der Slovakei und
in Karpathorußland hat der Grundherr in vielen Fällen
die Schulerhaltung bestritten und es ist wohl im Erbvertrag diese
Schulerhaltung auf den neuen Grundherrn übergegangen, so
daß das Ackerbauministerium seine ihm unterstehenden Stellen
in der Slovakei an die den Gemeinden gegenüber zu erfüllenden
Pflichten erinnern bzw. die dort erliegenden Gesuche wegen Beistellung
von Lehrern für Gemeinden aufzufordern hat, wo seit Jahren
die Lehrerstelle unbesetzt geblieben ist, zur Entscheidung an
das Ministerium zu leiten. Es geht doch wirklich in der
Jetztzeit nicht an, Schulverhältnisse zu belassen, die imstande
sind, die Zahl der Analphabeten zu mehren, statt sie zu vermindern.
Der Ausweis, daß in der Èechoslovakischen Republik
auf deutscher Seite keine Analphabeten existieren, ist nicht richtig,
da wir in der Slovakei und Karpathorußland Gemeinden mit
deutscher Mehrheit finden, wo weder seinerzeit den Eltern, noch
auch heute den Kindern Gelegenheit gegeben wird, Unterricht zu
genießen. Und wenn, dann sind es womöglich Schulen
mit 120 Kindern und einem alten Lehrer, der bei bestem Willen
den an ihn gestellten Anforderungen nicht mehr nachzukommen in
der Lage ist. In Deutsch-Mokra werden 185 deutsche schulpflichtige
Kinder von einer Magyarin, die nicht deutsch kann, unterrichtet.
In der Slovakei finden wir solche Verhältnisse. Hier
in den historischen Ländern und in dem zur Èechoslovakischen
Republik gekommenen Hultschiner Ländchen finden wir ähnliche
Verhältnisse. Im Hultschiner Ländchen finden wir Gemeinden
mit 22 bis 55 deutschen Kindern, denen die
Möglichkeit des Deutschunterrichtes in den deutschen Schulen
nicht gegeben ist. Ich verweise darauf, daß wir hier in
Böhmen, z. B. in Königgrätz 45 deutsche Kinder
haben, deren Eltern gezwungen sind, wenn sie die Kinder nicht
als Analphabeten heranwachsen lassen wollen, die Kinder
in die èechische Schule zu schicken, zur selben Zeit, wo
auch auf èechischer Seite die Forderung gestellt wird,
daß für jedes einzelne èechische Kind im ganzen
Staatsgebiet eine èechische Schule errichtet werden müsse.
Gewiß verschließen wir uns
nicht der Notwendigkeit der Errichtung der èechischen Schulen
dort, wo èechische Kinder vorhanden sind. Wir müssen
besonders an den Herrn Finanzminister appellieren, dort mit Sparmaßnahmen
einzusetzen, wo es tatsächlich etwas zu sparen gibt,
ohne gelegentlich der Durchführung dieser Sparmaßnahmen
dem èechischen Kinde den Unterricht in seiner Muttersprache
zu verwehren. Es ist schon wiederholt darauf verwiesen worden,
daß in den nordischen Staaten bei den ungeheueren Entfernungen
zu den einzelnen Siedlungen ein regelrechter
Unterrichtsbetrieb in unserem Sinne nicht möglich ist und
daß dort mit bestem Erfolg Wanderunterricht eingerichtet
wurde, Bei gutem Willen muß dies auch in der Èechoslovakischen
Republik möglich sein. Für diese geringen Kinderzahlen,
wie sie seit der gewaltsamen Transferierung und dem Abbau von
Gendarmen, Beamten der verschiedensten Kategorien, Finanzaufsehern,
Eisenbahnarbeiter und Beamten im deutschen Gebiet zu finden sind,
kann Wanderunterricht eingeführt und damit wohl auch eines
der größten sich derzeit der weiteren Verständigung
von Volk zu Volk entgegensetzenden Hindernisse auf diesem Gebiete
aus dem Wege geräumt werden.
Wir Deutschen können deshalb die Klagen von èechischer
Seite wegen schlechter Unterbringung der Minderheitsschulen nicht
ernst nehmen, da wir es nicht zu verstehen vermögen, wenn
auf èechischer Seite insbesondere von einer Partei mit
großem Nachdruck darauf beharrt wird, daß èechische
Minderheitsschulen bestehen müssen, wie z. B. in Eisendorf
für ein èechisches Kind
und 39 deutsche Kinder, in Pøíseènice mit
43 deutschen Kindern, in Bujanov für kein èechisches
Kind, in Moravany für drei Kinder aus gemischten Ehen bei
Heranziehung von 13 èechischen Kindern aus der èechischen
Gemeinde Nebovidy, in welcher ein zweiklassige
èechische Volksschule mit Schülerständen von
nur 21 und 22 Kindern besteht; in Cudrovice für ein Kind
aus einer gemischten Ehe und sonst deutschen Kindern. In Stará
Ves im Bezirk Bílovec. haben wir sogar schon zwei èechische
Minderheitsschulen zu verzeichnen, wovon
die eine Schule von insgesamt 6, davon 4 èechischen, und
die andere von 18 Kindern besucht wird. Von diesen 18 Kindern
stammen 3 èechische und 3 deutsche aus der Gemeinde Stará
Ves, während 12 aus der nächsten èechischen Gemeinde
herangezogen werden, Gewiß wäre es doch leichter verständlich,
wenn die Schule in dieser èechischen Gemeinde errichtet
und die drei èechischen Kinder aus Stará Ves dorthin
zur Schule zugewiesen würden.
In neuester Zeit versuchte die Národní
jednota in Albrechtice unter Hinweis auf die nur 200 Meter
betragende Entfernung des Bauplatzes der deutschen Privatschule
von der èechischen Minderheitsschule den deutschen Schulbau
dadurch zu verhindern, daß auf die Möglichkeit nationaler
Reibungen und Kämpfe unter den
Schulkindern hingewiesen wird. Wer diesem Begehren Rechnung trägt,
vergißt wohl, daß in die deutschen Schulen vielfach
èechische Volks- und Bürgerschulklassen verlegt wurden,
ohne daß daraus, entstehende nationale Reibereien unter
den Kindern zur Geltung kamen. Ähnliche
Fälle ließen sich in Menge anführen. Wenn heute
noch für verhältnismäßig geringe Zahlen von
èechischen Kindern Schulen errichtet werden, bzw. deren
Errichtung noch weiterhin gefordert wird, so verweise ich gleichzeitig
darauf, daß auch auf diesem Gebiete ein
Abbau bereits eingesetzt hat und daß es nunmehr an dem guten
Willen von ganz wenigen Personen zu liegen scheint, auch diese
Frage einvernehmlich zu lösen.
Für die Zukunft kann es nicht mehr geduldet
werden, daß alle diese, in diesem Staate gegen das deutsche
Element gerichteten Aktionen vielfach von Staatsbeamten geleitet
werden und daß deren Angaben beim Ministerium als vollkommen
richtig angesehen werden. Im Gegenteil, es müssen diese Zahlen,
wenn die Annäherung der beiden Völker in den historischen
Ländern ausgebaut werden soll, strengstens überprüft
und ein Vergleich mit den von deutscher Seite vorgelegten Zahlen
gezogen werden, wenn nicht immer wieder diese alte Wunde aufgerissen
werden soll.
Es gibt deutsche Gemeinden, denen seinerzeit
die deutsche Schule mangels an Kindern gesperrt wurde. Heute sind
für diese Schulen - das Gebäude ist in der Gemeinde
vorhanden - bereits wieder 20 oder 30 Kinder vorhanden, und doch
vermag sich der derzeitige Landesschulratsvorsitzende noch immer
nicht zu entschließen, diese Schulen wieder zu eröffnen.
Ein gewaltiges Stück Arbeit und ein ungeheueres Betätigungsfeld
des guten Willens zur Zusammenarbeit auf beiden Seiten liegt da
vor uns. Auch hier ist der Anfang bereits gemacht. Eine Anzahl
von Minderheitsschulen ohne entsprechende Kinderzahl ist
bereits gesperrt. Das èechische Volk nimmt die Ausmerzung
dieser nationalen Auswüchse des aus der Revolutionszeit stammenden
Èechisierungsprogramms als selbstverständlich hin.
Die Weiterentwicklung der Volkswirtschaft erfordert
den raschesten Abbau des Hasses und die Beruhigung der Völker.
Zu diesem Zwecke ist die Ausschaltung der nur von der Hetze lebenden
Personen von der aufbauenden Ausgleichsarbeit notwendig und auch
dieses schwere Werk wird auf folgenden Grundlagen aufgebaut werden
können:
1, Ausschaltung der Kinder des einen Volkes
als Grundlage für die Minderheitsschulgründungen des
anderen Volkes.
2. Sicherstellung der Nationalität der
Kinder nach der Nationalität der Eltern; Beeinflußung
der Eltern seitens Amts- und Privatpersonen wird nachdrücklichst
verfolgt und die eingelaufenen Klagen werden der sofortigen Erledigung
zugeführt.
3, Feststellung einer Mindestzahl von Kindern
der betreffenden Nationen.
4. Bei geringen Kinderzahlen Einführung
des Wanderunterrichtes.
Herr Abg. Prof. Dr. Schollich der landwirtschaftlichen
Mittelschule in Neutitschein und Herr Koll. Simm konstatierten
bei den Verhandlungen im Budgetausschuß gegenüber den
früheren Zeiten große Besserung. Diese Anerkennung
der durch den Eintritt deutscher Parteien in die Regierung geschaffenen
Verhältnisse veranlaßt mich, wie ich bereits im Budgetausschusse
feststellte, zu der Annahme daß nunmehr auch die unserer
Bewegung fernstehenden Volksteile die Entspannung erkennen (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) und in sachlicher
Arbeit und Kritik an der Besserung der Verhältnisse mitarbeiten
werden. Die Worte des Herrn Koll. Dr. Rosche: "Wir
stehen auf dem Boden der gegebenen Tatsachen und sind wir unter
der Bedingung, daß ein Ausgleich von Volk zu Volk möglich
ist, daß man uns 31/2 Millionen Deutsche
als gleichberechtigte Bürger betrachtet, bereit, aktiv und
positiv mitzuarbeiten" bestärkten mich in meiner Annahme,
und bedeuteten nichts anderes als das, was die deutschen Mehrheitsparteien
vor eineinhalb Jahren getan haben. (Posl. dr Rosche: Herr Kollege,
da wird aber unter den deutschen Parteien ein anderes Verhältnis
eintreten müssen!) Gewiß, es wäre notwendig.
Wir stellten uns eben schon damals auf den Boden der gegebenen
Tatsachen. Wir deutschen Landwirte wiesen damals die ausgestreckte
Hand unserer èechischen Kollegen nicht zurück und
gingen mit ihnen daran, den Versuch zu machen, den Boden für
den Ausgleich von Volk zu Volk vorzubereiten. Die Deutsche Gewerbepartei
und die Deutsche christlichsoziale Volkspartei
schlossen sich unseren Erwägungen an. (Posl. dr Rosche:
Herr Kollege, da werden Sie aber unter den deutschen Parteien
keine Verständigung herbeiführen, wenn solche Reden
gehalten werden, wie die des Herrn Windirsch. Da wird der Herr
Kollege Windirsch nicht so auftreten dürfen, wie er es hier
getan hat!) Wir stellen uns auf den Boden der gegebenen Tatsachen.
(Rùzné výkøiky posl. dr
Rosche, Horpynky, Windirsche, Heegera. Hluk. -
Pøedseda zvoní.)
Wir durften und konnten auf keinen Fall
noch ein drittesmal die Aufforderung èechischerseits, am
Aufbau des Staates mitzuarbeiten und dadurch auch am Aufbau der
Zukunft unseres eigenen Volkes, unbeachtet lassen, da wir uns
der Verantwortung unserem Volke gegenüber bewußt waren
und als Männer erlicher Arbeit wußten,
daß nicht schöne Reden und Schlagworte, sondern nur
schwerste und opferfreudigste Arbeit unser Volk wieder aus seiner
Erniedrigung emporzurichten vermag.
Der Versuch gelang. Zwei deutsche Minister wurden berufen und
das èechische Volk nahm mit Ruhe auf, daß dadurch
der Traum vom èechischen Nationalstaat ausgeträumt
war. Die zwingenden Verhältnisse waren eben stärker
als der Wunsch, die 31/2
Millionen Deutsche zu vernichten. Die aufdämmernde Vernunft,
daß mit uns die gesamte Volkswirtschaft dieses erst
gegründeten Staates mit in den Abgrund gerissen würde,
gab den über die Gegenwart hinausblickenden Führern
des èechischen Volkes den Mut, nach unserer Mitarbeit zu
verlangen. Das Ausgleichswerk wurde aufgenommen.
Woran scheiterten bisher alle Ausgleichsversuche?
Zuerst wurden die Paragraphen gemacht und dann sollten die Unterhändler
und die beiden Völker den Paragraphen angepaßt und
in die Paragraphen hineingezwängt werden. Dieser Weg erwies
sich trotz des besten Bemühens hervorragender Männer
auf beiden Seiten als ungangbar. Derzeit gehen wir den umgekehrten
Weg. Wir sind daran, und der gute Wille ist auf beiden Seiten
vorhanden, erst die Menschen zu finden und die Unterhändler
einander näherzubringen, die Völker für dieses
Werk zu erziehen und dann erst an das Ausgleichswerk heranzutreten.
Dieser Weg ist wohl ein längerer, weitaus mühseligerer,
doch führt nur er zum Ziele. Erst müssen wir einander
gegenseitig verstehen und nicht immer einer den anderen übervorteilen
wollen, um darin die nationale und nationalistischeste Betätigung
zu sehen. Selbstverständlich ist die hier zu leistende Arbeit
schwer und nur Schritt für Schritt vorwärtszubringen.
Es bedarf hierbei der Mitarbeit aller, denen das Wohl ihres Volkes
nur einigermaßen am Herzen liegt. Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.)
Und diesen Weg wollen wir weitergehen. Daran
sollen uns auch die Worte eines Prof. Dr. Schollich nicht
hindern, der mit seinen gestrigen, die volle Ohnmacht seiner Art,
das Volk zu vertreten, beweisenden wüsten Schimpforgien alle
seine bisherigen Kraftleistungen überbot. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) Der Mangel an Beweisgründen,
um uns von dem nach seiner Meinung an unserem Volke begangenen
Verbrechen zu überzeugen zwingt diesem Herren die Waffen
des Schimpfes in die Hand. um sich dadurch durchzusetzen und sein
sinkendes Schifflein noch eine Weile über Wasser zu halten.
(Výkøiky posl. dr Schollicha.) Verachtung
und Ekel muß jeder vor solcher Politik empfinden. Die ganze
Erbärmlichkeit des Schlagwortritters und des sich an den
eigenen Worten berauschenden Pseudo-Volksredners, dem, des eingeschlagenen
falschen Weges überwiesen, jedes Mittel recht ist, um von
sich reden zu machen, ist alles, was uns der Übernegativist
Dr. Schaollich aufzuzeigen vermochte, Wie schon früher
erwähnt, es soll auch dieser Kraterausbruch des Doktor Schollich
uns nicht hindern, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, (Výkøiky
posl, dr Rosche.)
Im Budget wurde unseren Wünschen nicht
in dem Maße Rechnung getragen, wie wir es wünschten,
doch hoffen wir in der Auswirkung desselben weitere Berücksichtigung
unserer berechtigten Wünsche zu finden. In der Zusammenarbeit
und der Annäherung unserer beiden Völker werden die
ersten Versuche unternommen.
Die Arbeit ist im Interesse beider Nationen
wert, weiter verfolgt zu werden. Lassen Sie. verehrte Herren auf
der èechischen Seite, nicht Einzelpersonen sprechen, wo
es sich um den Aufbau zweier Kulturvölker handelt, (Potlesk
poslancù nìm. svazu zemìdìlcù.)
Hohes Haus! Wir haben seit ungefähr 11/2
Jahren eine deutsch-èechische bürgerliche Regierung.
Der Staat wird seit dieser Zeit von den kapitalistischen Klassen
regiert, und wenn wir die politischen Handlungen, die diese deutsch-èechische
Mehrheit im Laufe dieser 11/2 Jahre vollbracht
hat, betrachten, so kommen wir zu der Überzeugung, daß
diese politischen Handlungen fast ausnahmslos davon diktiert waren,
den Sonderinteressen der kapitalistischen Klassen im Staate zu
dienen, und daß sie fast ausnahmslos diktiert waren von
dem Haß und der Feindschaft gegen die um ihre volle Menschwerdung
ringende Arbeiterschaft. Die Arbeiterschaft sieht mit wachsender
Erbitterung, wie von Seite dieser bürgerlichen Mehrheit fortgesetzt
der Versuch gemacht wird, die Lebensrechte der Arbeiterschaft
zu schmälern und die Arbeiterschaft ihrer sozialpolitischen
Errungenschaften zu berauben. Wenn die Herren glauben, daß
sie auf diesem Wege fortschreiten können, so können
wir ihnen sagen, daß sie eines Tages eine schwere Enttäuschung
erleben werden. Die Arbeiterschaft ist nicht gewillt, dauernd
ruhig zuzusehen, wie man ihre Lebensrechte verschlechtert. Sie
werden eines Tages erkennen, wenn sie diesen Weg weitergehen,
daß der Erfolg dieser Politik schwere wirtschaftliche und
auch politische Erschütterungen im Staate sein werden.
Seit 11/2 Jahren ist
an der Spitze des Ministeriums für soziale Fürsorge
ein Priester, der Herr Dr, Šrámek. Der Mann
ist ein Vertreter der Grundsätze der christlichen Lehre.
Die Partei, der er angehört, will bekanntlich, daß
auch die Arbeiter, die Bedrückten, die Notleidenden geschützt
werden, und zwar nicht bloß nach ihrem Programm erst dann,
wenn sie von der Erde bereits Abschied genommen haben, sondern
auch so lange sie auf dieser Erde leben. Herr Dr. Šrámek
hätte in seinem Ministerium ein Gebiet der Betätigung,
das ungemein erfolgreich sein könnte. Er könnte dieses
Ministerium, wenn er seinen christlichen Grundsätzen getreu
handeln würde, zu einer wahren Schutzanstalt für die
arbeitenden Menschen, für die Notleidenden, für die
Hilfe Heischenden ausbauen. Was hat nun Herr Dr. Šrámek
in diesen 11/2 Jahren in seinem Ministerium
getan? Er hat bei allen seinen Handlungen, die er bis jetzt vollbracht
hat, die Grundsätze der christlichen Lehre vergessen. Herr
Minister Šrámek steht vollständig im Banne
der kapitalistischen Klassen dieses Staates, ja noch mehr. er
ist zu ihrem Vollzugsorgan geworden. Dieses Ministerium ist heute
nicht mehr eine Anstalt zum Schutze der arbeitenden und notleidenden
Menschen, sondern der Herr Minister hat sein Ministerium zu einer
Schutzanstalt für die Bestrebungen der kapitalistischen Klassen
gemacht, das Ministerium für soziale Fürsorge ist, heute
die Werkstätte, in der die Anschläge gegen die Arbeiterklasse
geschmiedet werden. Ich will nun einige der wichtigsten sozialpolitischen
Fragen besprechen und auf jene Gesetze hinweisen, bei denen die
Absicht, Verschlechterungen vorzunehmen, besteht.
Wir halten die Frage des Schutzes unserer jugendlichen
Arbeiter, unserer Lehrlinge, für ungemein wichtig und ich
habe in Gemeinschaft mit meinem Koll. Klein und
zwei Vertretern der sozialistischen Jugendorganisationen Materna
und Dvoøák am 14. Juli beim Minister Šrámek
vorgesprochen, wobei seitens beider Jugendorganisationen dem Herrn
Minister Šrámek Forderungen vorgelegt wurden.
Dieser Denkschrift war aber gleichzeitig auch ein sehr gutes umfassendes
Material über die schlechte Behandlung der Lehrlinge, der
Jugendlichen beigeschlossen. Was hat nun der Herr Minister Šrámek
zu dieser Denkschrift zu sagen? Er hat sie bis heute unbeantwortet
gelassen, er hat bis heute den beiden Jungorganisationen auf diese
wichtigen Forderungen keine Antwort erteilt. Ich möchte fragen,
ob der Herr Minister Šrámek ein solches Verhalten
auch an den Tag legen würde, wenn bei ihm eine Deputation
der Industriellen oder der Vertreter der Banken oder irgendeine
andere bürgerliche Korporation vorgesprochen hätte.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß unsere Jugend, die das
kostbarste Gut des Staates ist, des ausreichenden Schutzes in
geistiger und körperlicher Beziehung bedarf. Unsere Jugend
ist die Reserve für unsere Volkswirtschaft und für die
moderne Entwicklung des Staatswesens und es gehört zur moralischen
Verpflichtung eines Staates, der ein moderner Staat sein will,
daß er dem Jugendschutze die größte Aufmerksamkeit
zuwende. Jugendschutz bedeutet für jeden Staat eine sehr
gute Kapitalsanlage im Interesse der Volkswirtschaft und des Staates
selbst.
Was hat bis jetzt der Staat zum Schutze der
jugendlichen Arbeiter getan? Er läßt zu, daß
kontrollos Raubbau an der, Gesundheit, an der geistigen Entwicklung
unserer jugendlichen Arbeiter getrieben wird, Ich bin im Besitze
ein es sehr wertvollen Materials, den unsere Jugendorganisation
hat Erhebungen durchgeführt und in einigen Hunderten von
Fällen haarsträubende Verhältnisse, unter denen
die Jugendlichen, die Lehrlinge leiden, festgestellt. In den großen
Betrieben werden die jugendlichen Arbeiter dadurch geschützt,
daß die erwachsenen gewerkschaftlich organisierten Arbeiter
sich der Jugend annehmen und sie schützen. Auch dort tut
der Staat wenig oder nichts zum Schutze der Jugendlichen, er überläßt
das den Gewerkschaften, Wo aber die Jugendlichen, die Lehrlinge
vollständig ungeschützt sind, im Kleingewerbe, wo eine
gewerkschaftliche Organisation nicht besteht, dort sind die Lehrlinge
sehr häufig der Willkür und der unmenschlichen Behandlung
durch die Gewerbetreibenden ausgesetzt, Ich will nicht generalisieren,
ich weiß, es gibt gewiß sehr vernünftig und human
denkende Gewerbetreibende. die auch im Lehrling den werdenden
Mitarbeiter sehen, Es gibt aber auch Gewerbetreibende, die gegenüber
dem Lehrling jedes menschliche Empfinden vermissen lassen und
die ihn nur als Ausbeutungsobjekt betrachten.
In dem Material, das mir zur Verfügung
steht, kehren folgende Beschwerden immer und immer wieder: Nichteinhaltung
des Achtstundentages, Ausdehnung der Arbeitszeit über den
Achtstundentag, Arbeitszeiten von 12, 16 und 17 Stunden täglich,
Beschäftigung der Lehrlinge bei Nacht, schlechte Verpflegung
und schlechte Schlafgelegenheit, rohe Mißhandlung von Lehrlingen,
Nichtgewährung des Jugendurlaubes. Besuch der Fortbildungsschule
nach überlanger Arbeitszeit abends, erschreckende Lehrlingszüchterei,
ungenügende Ausbildung für die Ausübung des Gewerbes,
Nichteinhaltung der Sonntagsruhe. Ich möchte nur zwei, drei
Beispiele aus diesem Material mitteilen. um aufzuzeigen, wie Lehrlinge
bei den Meistern manchmal behandelt werden. Bei dem Friseur Gustav
Zenker in Komotau wurde am 17, November 1923 das Lehrmädchen
D. an den Haaren im Hofe herumgezogen, man schlug ihr mit der
Hand ins Gesicht, hielt ihr den Mund zu. riß ihr die Mundwinkeln
blutig. Das Gerichtsurteil war ein sehr mildes. Der beim Bäckermeister
und Genossenschaftsvorstand Holei in Oberdorf beschäftigt
gewesene Lehrknabe J. M., ein Waisenkind, wurde im Oktober 1923
während der Nachtarbeit von Müdigkeit befallen und schlief
ein. Der Meister, der dies bemerkte, bewarf den Lehrling mit dem
Messer und bedrohte ihn mit dem Backbrett, Der Lehrling erlitt
Schnittverletzungen im Gesicht und wäre beinahe um das Augenlicht
gekommen. Die Strafe, die der Meister erhielt, waren 720 Kronen.
Der beim Fleischermeister Ebert in Turn beschäftigt gewesene
Gustav Anders arbeitete von 5 Uhr früh bis 10 und 11 Uhr
nachts. Also täglich 17 bis 18 Stunden, Beim Bäckermeister
Pfeffer in Drahowitz ist ein schwächlicher, unterernährter
Lehrling beschäftigt, dessen Arbeitszeit um 1/21
Uhr nachts beginnt und bis 6 Uhr abends dauert. Der Lehrling ist
ein Waisenknabe, er schläft mit einem zweiten Lehrling im
Bett, in derselben Kammer schläft außerdem das Dienstmädchen,
die Betten sind verwanzt. in der Kammer sind alle Warenvorräte
aufgestappelt. Weiter wird gesagt, daß der Sattlermeister
Schmidt in Altrohlau seine Lehrlinge fast täglich ohrfeigt,
Es kehren im Material immer wieder die Fälle, wo der Jugendurlaub
nicht eingehalten wird usw.