Pátek 21. záøí 1928

So ist die jetzt zur Verhandlung stehende und durch Monate vorbereitete Novellierung des Sozialversicherungsgesetzes nichts anderes, als der Versuch der Bourgeoisie, ihre privatkapitalistische Wirtschaft von den Lasten der sozialen Fürsorge zu befreien und die Kosten auf die Arbeiterschaft zu überwälzen. Der Angriff auf die Sozialversicherung ist nur ein Glied in der großen Kette des Stabilisierungsplanes der kapitalistisch en Klasse der Èechoslovakei, er liegt aber auch gleichzeitig im Interesse der imperialistischen Politik des Staates, der sich eine neue finanzielle Quelle durch seine Einflußnahme auf den Sozialversicherungsapparat schafft. Bei keinem Gesetz sieht die Arbeiterschaft so deutlich das Verwachsen der kapitalistischen Interessen mit dem Staate, wie gerade bei dieser Novelle. Der Staatsapparat und die Kapitalistenklasse werden zu einem einheitlichen Gebilde, das sich mit allen seinen Nachteilen gegen die Arbeiterklasse wendet. Je intensiver sich die Kapitalistenklasse mit dem Staate verbindet, desto rascher versucht sie den Abbau des Einflusses der Arbeiterschaft auf die einzelnen Einrichtungen im Staate. Und wenn die Arbeiterschaft auf die Kranken- und Sozialversicherung bis jetzt noch einen gewissen kleinen Einfluß hatte, so soll durch diese Novelle der kleine Rest des Einflusses vollständig vernichtet werden. Die Bourgeoisie will mit aller Macht, aber auch mit allen Mitteln sich des Fürsorgeapparaates bemächtigen, um dann mit seiner Hilfe leichter gegen die Arbeiter entscheiden zu können. Unter dem Deckmantel einiger Scheinkonzessionen, der sogenannten Verbesserungen an die reformistischen sozialistischen Parteien, ist es den bürgerlichen Parteien gelungen, ihre Bestrebungen, den Raub des Sozialversicherungsapparates, zu verwirklichen. Und wenn die reformistischen Führer behaupten, daß sie in diesem Kampfe durch ihre Taktik bedeutende Erfolge für die Arbeiterschaft erzielten, so verschweigen sie wohlweislich mit Bedacht, daß sie unter dem Deckmantel dieser Erfolge den Sozialversicherungsapparat an die Bourgeoisie vollständig auslieferten und die Autonomie der Versicherung zerstörten. Der Erfolg ist also ein sehr zweifelhafter und wird sich an der Arbeiterklasse selbst rächen.

Das beharrliche Vorgehen der Koalitionsparteien bei der Novellierung des Sozialversicherungsgesetzes ist unter den politischen Voraussetzungen ein raffiniert angelegtes, um die Massen der arbeitenden Bevölkerung nicht auf die wahren Ursachen ihres Bestrebens aufmerksam zu machen. Dies konnte ihr vor allem deshalb gelingen, weil sie durch ein geschicktes Manövrieren die sozialpatriotischen Führer von größeren Kampfhandlungen abhielt. Die Sozialdemokratie erblickt in der Sozialpolitik die hauptsächliche Sendung einer Arbeiterpartei. Im kapitalistischen Staat und deren Wirtschaftsordnung ist die Sozialpolitik nur eine bloße Reform, ein Nebenprodukt des Klassenkampfes. Wird an den Grundfesten der Wirtschaftsordnung nichts geändert, so kann das Proletariat keinen Erfolg zum Ziel verzeichnen, es kann nur eine gewisse Einschränkung der Ausbeutung erreichen. Auch in SSSR ist die Sozialpolitik nicht der Weg, wo man zum vollständigen Sozialismus kommen kann, sie ist aber in der Übergangszeit erforderlich. Deshalb setzt die K. P. Rußlands ihre ganze Kraft auf die Umgestaltung der Wirtschaft in Industrie und Handel.

Um die Grundsätze der kommunistischen Partei und ihrer Führer zur Sozialversicherung im Kapitalistenstaat kennen zu lernen, ist es von besonderem Interesse, was Lenin zu dem Problem der Sozialversicherung im kapitalistischen Staate sagt. Als im Jahre 1912 die zaristische Regierung daran gegangen war, einen Abklatsch der Sozialversicherung im zaristischen Rußland durchzuführen, fand im selben Jahre in Prag der Kongreß der sozialdemokratischen russischen Partei der Bolschewiki statt, auf welchem zur Frage der Sozialversicherung Lenin folgendes sagte: "1. Der Teil des Reichtums, den der schaffende Lohnarbeiter in der Form des Lohnes erhält, ist so klein, daß er zur Befriedigung seiner allernotwendigsten Lebensbedürfnisse kaum ausreicht. Der Proletarier ist so der Möglichkeit beraubt, etwas von seinem Lohn zu ersparen für den Fall des Verlustes seiner Arbeitsfähigkeit als Folge von Unfällen, Krankheit, Alter, Invalidität und gleichzeitig für den Fall der Arbeitslosigkeit, die untrennbar verbunden ist mit dem kapitalistischen System der Erzeugung. Deshalb ist die Versicherung der Arbeiter in allen angeführten Fällen nur eine Reform, die von der ganzen jetzigen kapitalistischen Entwicklung diktiert wird. 2. Die beste Form der Versicherung der Arbeiter ist die staatliche Versicherung, die auf folgenden Grundsätzen aufgebaut sein soll: a) sie muß die Arbeiter in allen Fällen des Verlustes der Arbeitsfähigkeit versichern (Unfall, Krankheit, Alter, Invalidität; bei den Arbeiterinnen außerdem bei Schwangerschaft und Entbindung; Renten den Witwen und Waisen nach dem Tode des Ernährers) oder im Falle des Verlustes des Verdienstes bei Arbeitslosigkeit; b) die Versicherung muß sich beziehen auf alle Lohnarbeiter und alle Familien; c) die Renten der Versicherten müssen ausgezahlt werden nach dem Grundsatze des Ersatzes des vollen Verdienstes, wobei alle Versicherungsbeiträge der Unternehmer und der Staat zu zahlen haben; d) alle Zweige der Versicherung müssen durch einheitliche Organe der Versicherung verwaltet werden, und zwar auf dem Grundsatz und dem Prinzipe der territorialen vollständige Selbstverwaltung der Versicherten." Also Lenin selbst nahm schon im Jahre 1912 eine Stellung zur Sozialversicherung ein und gab der Arbeiterschaft so die Linie an, auf der sie sich im kapitalistischen Staat zur Sozialversicherung zu bewegen hat. Auch in Sowjetrußland wurde nach der Revolution die Sozialversicherung durchgeführt, und wenn wir die Bilanz der letzten 10 Jahre bezüglich Sowjetrußlands ziehen, finden wir, daß die Resolution Lenins bis auf einen einzigen Punkt vollständig durchgeführt wurde. Es gelang allerdings noch nicht in Sowjetrußland, den vollständigen Ersatz des entgangenen Arbeitslohnes im Falle des Verlustes der Arbeitsfähigkeit dem Betroffenen zu bieten. Ansonsten aber müssen wir sagen, daß Rußland das einzige Land ist, das die Sozialversicherung mustergültig durchgeführt hat, so daß die Gesundheitsverhältnisse in den letzten Jahren sich stark zugunsten der Arbeiterklasse geändert haben. Darauf werde ich noch speziell zurückkommen.

Die in Verhandlung stehende Vorlage hat, bevor sie ins Haus gelangt ist, einen förmlichen Leidensweg durchzumachen gehabt, monatelang wurde hinter den Kulissen des Parlamentes der Schacher zwischen den sozialistischen und den bürgerlichen Parteien getrieben. Das Bestreben der bürgerlichen Parteien war, unter allen Umständen die Sozialversicherung, d. h. den Apparat an sich zu reißen, sei es auch unter den größten Opfern; es war dahin gerichtet, vor allem anderen nicht die Sozialversicherung, wie man das Wort oft mit einem einfachen Schlagwort gebrauchte, zu verschlechtern, sondern sich, wie ich bereits erwähnt habe, des Apparates zu bemächtigen, weil das für die bürgerlichen Parteien eine politische Bedeutung hat. In der gestrigen Verhandlung der Vorlage hat dies auch der klerikale Abg. Petr ausdrücklich gesagt, indem er erklärte, man spreche immer wieder von einer Verschlechterung, und doch säßen die oppositionellen Parteien hier ganz ruhig, weil die Vorlage keine Verschlechterung bedeute, sondern weil die Novellierung eine politische Bedeutung habe. Und darin hat der Abg. Petr vollständig recht. Es handelt sich der Bourgeoisie vor allem darum, den Einfluß der Arbeiter auf die Sozialversicherung, auf den Apparat zu brechen und ihnen diesen zu entwinden. Und wenn sie gezwungen ist, damit die Arbeiterschaft diesen Schachzug nicht bemerkt, einige Verbesserungen anzubringen, so tut sie es nur deshalb, damit die Arbeiterschaft nicht merkt, um was es dabei geht: Vor allem um die Bemächtigung des Apparats, um die Abwälzung der Lasten auf die Versicherten und Schaffung einer neuen Reserve im Interesse der imperialistischen Politik des Staats. Und das ist der Bourgeoisie völlig gelungen dadurch, daß sie es zustande gebracht hat, die sozialistischen Führer von einem größeren Kampf abzuhalten, wodurch es ihr gelungen ist, jene Stimmung zu erhalten, die in diesem Jubiläumsjahr notwendig ist. Und so maskierte sie die Novellierung mit einigen sogenannten Verbesserungen. Wie aber in Wirklichkeit die Verbesserungen aussehen, wollen wir auf Grund einiger Bestimmungen dieses Gesetzes dartun.

Vor allem anderen hat schon der Berichterstatter des Budgetausschusses erklärt, daß die ursprüngliche Regierungsvorlage eine Ersparnis von 79 Mill. Kè für die Volkswirtschaft bedeutet hat. Nach Abänderung der Vorlage durch den sozialpolitischen Ausschuß betrage diese Ersparnis nur 73 Mill., d. h. sie ist um 6 Mill. gesunken. Obzwar die Berechnungen, die der Berichterstatter des Budgetausschusses Adámek vorgebracht hat, ebenso wie der Berichterstatter Malík, obzwar alle Berechnungen der Fachkommission der Zentralsozialversicherungsanstalt und einiger Fachmänner unkontrollierbar sind, weil bei den einzelnen Berechnungen die Ziffern von 6.000 bis 30.000 variieren, so sagen wir: Wenn die Herrschaften eine Ersparnis von 73 Mill. für die Volkswirtschaft der kapitalistischen Klasse zugeben, so wissen wir, daß diese sogenannte Ersparnis bedeutend höher ist. Wenn der Abg. Adámek als Berichterstatter erklärte, es habe sich darum gehandelt, eine Ersparnis zu machen, ohne dadurch die Verbesserungen zu gefährden, so erklären wir demgegenüber, daß die sog. Verbesserungen nur auf Konto der Reserven der Sozialversicherung, auf Konto ihrer Sicherheit gegangen sind. Die Sparmaßnahmen kommen vor allem den Agrariern zugute, die industrielle Arbeiterschaft wird sozusagen die Melkkuh für agrarische Kreise sein. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Zierhut.)

Die Verbilligung der Versicherung erzielt man vor allem dadurch, daß man den Versicherungskreis soweit als möglich einschränkt. So kam es zur Ausschaltung der jugendlichen Arbeiter aus der Alters- und Invalidenversicherung, aber auch gleichzeitig zur Ausschaltung der landwirtschaftlichen Familienangehörigen aus der Krankenversicherung. Die Agrarier klagen immer, daß ihnen auf dem flachen Lande keine Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, daß die Leute in die Fabriken laufen und die Beschäftigung in der Landwirtschaft meiden. Gerade die Ausschaltung der Familienangehörigen der Landwirte zeigt aber, daß die Herren kein Interesse an der Sicherung der landwirtschaftlichen Arbeiter haben, sondern daß es ihnen darum geht, wo nur möglich auf Konto der Versicherung dieser Personen zu sparen. Wenn die Agrarier und die Klerikalen vorgeben, daß sie für den kleinen Mann auf dem flachen Lande eintreten, so zeigt uns gerade die Ausschaltung der Familienangehörigen aus der Versicherung beim kleinen Landwirt und Häusler, welche Gefahren für diese Bevölkerungsschichte erwachsen. Nach dem alten Gesetz mußten die Familienangehörigen, wenn sie im Haushalt, d. h. in der eigenen Wirtschaft, beschäftigt waren, versichert werden. Sie genossen den Vorteil, im Falle der Erkrankung Arzt, Medikamente und ev. ein Krankengeld zu bekommen. Sie genossen weiters den Vorteil, daß sie im Falle der Spitalsbehandlung durch 28 Tage davon verschont waren, irgendwelche Leistungen an die Landesfonds oder Heilanstalten selbst zu leisten. Wie wird es aber nach Ausschaltung der Familienangehörigen in der Landwirtschaft aussehen? Bekanntlich bestellt der Häusler und Kleinbauer mit seiner Frau und seinen Kindern das Feld selbst. So ein Kleinhäusler oder Besitzer eines Pachtackers verfügt nicht über die Mittel, im Falle der Erkrankung irgendeines Familienmitglieds Arzt und Medikamente aus eigener Tasche zu bezahlen. Die Gemeinden, bei denen durch das Gemeindefinanzgesetz die Einnahmen so furchtbar gedrosselt sind, sparen an allen Ecken und Enden und lehnen es schon heute ab, jenen Leuten des Dorfes, die auch nur über einen ganz geringen Besitz verfügen, sei es auch nur eine kleine verfallene Bude oder ein Stückchen Pachtacker, ein Armuts- oder Mittellosigkeitszeugnis auszustellen. Dadurch wird der Kleinhäusler und Bauer gezwungen sein, noch auf seinen kleinen Besitz eine Hypothek aufzunehmen, um Arzt und Medikamente zu bezahlen. Noch schlimmer aber werden sie betroffen, falls irgendein Familienangehöriger, der nach dem alten Gesetz versicherungspflichtig war, in Spitalspflege aufgenommen wird. Wir kennen ja die Praxis der Spitalsverwaltung. Wenn die 28 Tage um sind, nach welchen die Krankenkasse keine Beiträge mehr bezahlt, und der betreffende Arbeiter über keine Mittel verfügt, so wird recherchiert, ob nicht die Eltern oder Anverwandten irgendwelchen Besitz haben, um für den Betreffenden die Spitalskosten zu bezahlen. Umso schlimmer wird aber der Häusler und Kleinbauer am Lande betroffen werden, wenn er überhaupt aus der Versicherung ausgeschaltet wird. Er muß dann vom ersten Tage an für seine Kinder und für sich selbst die Spitalskosten bezahlen.

Weiters geht das Bestreben der Mehrheit dahin, nicht nur die jugendlichen Arbeiter aus der Altersversicherung, die Familienangehörigen in der Landwirtschaft aus der Kranken- und Altersversicherung auszuschalten, sondern auch die Saisonarbeiter in der Versicherungspflicht zu begrenzen, indem man erklärt, daß nur jene versicherungspflichtig sind, die über 90 Tage im Jahre einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Das was ich bei den Familienangehörigen der Häusler und Kleinbauern gesagt habe, kommt auch bei den Saisonarbeitern in Betracht. Der Häusler muß im Winter, wenn er leben will, irgendeiner Arbeit nachgehen, in den meisten Fällen Waldarbeit. Die Waldarbeit ist aber von der Witterung und den Schneeverhältnissen außerordentlich abhängig, weil das Holz nur bei Schnee aus dem Walde geschleift werden kann. Wenn also der Arbeiter keine 90 Arbeitstage aufweist, wird er nicht der Versicherungspflicht unterliegen. Das bedeutet, daß er empfindlich geschädigt wird, indem bei ihm dasselbe in Betracht kommt wie beim Häusler, daß er aber außerdem noch fürchten muß, wenn er die 90 Arbeitstage nicht aufbringt, zwar die Versicherungsbeiträge zu bezahlen, aber der Vorteile der Versicherung verlustig zu gehen. Bisher hatte beinahe jeder dieser Häusler und Kleinbauern im Winter seinen ständigen Arbeitsort, wo er die Möglichkeit hatte, über den Winter sein Auslangen zu finden. Dadurch aber, daß ausgesprochen wird, daß nur jene Leute versicherungspflichtig sind, die über 90 Tage arbeiten, wird auch der ständige Arbeitsplatz für den Betreffenden bedroht. Aber Sie haben auch für die Heimarbeiter die Möglichkeit geschaffen - das ist die neueste Methode, die sich die Regierung zu Recht gelegt hat - im Verordnungswege bestimmte Kategorien und in bestimmten Gebieten von der Versicherungspflicht auszuschalten. Die Heimarbeiter sind sicherlich die ärmsten der Armen, die ihr Leben notdürftig fristen, ihr Wochenlohn ist tief unter dem Lebensstandard, es gibt Löhne von 30 bis 40 Kè wöchentlich und die ganze Familie ist gezwungen mitzuarbeiten. Ich verweise nur auf die Knopferzeugung und Bürstenerzeugung im Adlergebirge, auf die Hausweber und andere Kategorien. Nachdem man sich aber schämte und die Arbeiter nicht zur Rebellion treiben wollte, wurde ein Ausweg gefunden. Ursprünglich sollten die Saison- und Heimarbeiter glatt aus dem Gesetze ausgeschlossen werden. Da hat die Fachkommission der Zentralsozialversicherungsanstalt einen anderen Weg gezeigt und, um das schreiende Unrecht der arbeitenden Bevölkerung schmackhafter zu machen, haben die Koalitionsparteien zu dem Gutachten der Zentralsozialversicherungsanstalt gegriffen.

Ursprünglich sollten alle Heimarbeiter, die weniger als 60 Kè verdienen, aus der Versicherung ausgeschlossen werden. Da wurde nun in einer der letzten Sitzungen des sozialpolitischen Ausschusses diese Grenze von 60 Kè fallen gelassen, weil sich herausgestellt hat, daß nach diesem jetzt bestehenden Gesetz und nach der Novellierung es Kategorien gibt, die noch weniger Lohn erhalten und trotzdem versicherungspflichtig sind. Man überläßt es also dem Verordnungswege, bestimmte Kategorien auszuschalten und so wird es in manchen Gebieten vorkommen, daß Heimarbeiter aus der Versicherungspflicht ausgeschaltet werden, die einer bestimmten Kategorie angehören oder eine bestimmte Lohngrenze nicht erreichen. Das kann in den einzelnen politischen Bezirken verschieden sein. So werden z. B. Hausweber oder Heimarbeiter der Bürstenindustrie oder Knopfindustrie der Grenzgebiete der politischen Bezirke, wo sie für verschiedene Faktoren arbeiten, durch einige Wochen versicherungspflichtig sein und dann, wenn sie für einen anderen Faktor in einem anderen politischen Bezirk arbeiten, wieder aus der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden. Sie sehen den Widersinn dieser Bestimmung. Als zum ersten Male der sozialpolitische Ausschuß zusammengetreten ist, da erklärte der Herr Pater Šrámek, oder vielleicht war es der klerikale Abg. Petr - es hat sich da um die Heimarbeiter gehandelt - daß zu ihm bei einem Kongreß der klerikalen Partei eine Deputation der Heimarbeiter gekommen sei, die mit hochgehobenen gefalteten Händen gebeten hätten, daß sie aus der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden; sie seien außerstande, mit dem geringen Verdienst von 30 bis 40 Kè die Versicherungsbeiträge zu bezahlen. Statt daß diese Vertreter des wirklichen Christentums erklärt hätten, daß es selbstverständlich sei, daß in solchen Fällen, wo der Arbeiter 30 bis 40 Kè wöchentlich verdient, der Unternehmer oder der Staat verpflichtet sei, die Beiträge für diese armen Teufel zu bezahlen, fanden sie eine einfache Lösung, indem einfach diese Arbeiter aus der Versicherung ausgeschlossen werden. Das ist die einzige Medizin, die diese Herrschaften für die armen Teufel übrig haben. Wir wissen auch, daß in der Steuerpraxis Fälle vorgekommen sind, daß diesen Bürstenmachern und Knopfmachern im Adlergebirge, die in einem förmlich zusammengefallenen Häuschen wohnten, die Steuergrundlage für das Häuschen mit 17.000 Kè eingeschätzt wurde. Das Erkrankungsprozent bei den Heimarbeitern insbesonders an Tuberkulose ist gewaltig. Was wird im Falle der Erkrankung geschehen? Die Gemeinden verweigern das Armutszeugnis, sie haben nicht die Möglichkeit infolge der Abstriche in den Budgets der Gemeindeverwaltungen, irgendwelche Vorsorgen für diese Leute zu treffen. Sie sind einfach der Willkür der Gemeindepaschas und der herrschenden Klassen in diesem Staate ausgeliefert. Es wird Fälle geben, wo das Mittellosigkeitszeugnis zur ärztlichen Behandlung durch die Gemeinde verweigert wird, weil der eine oder andere irgendein morsches Dach über dem Haupte hat.

Wie kraß die Zustände der Heilfürsorge in einzelnen Gemeinden sind, will ich an einem Fall nachweisen. Die kleine Gebirgsgemeinde Klöppel in Nordmähren besteht aus einigen Häuschen, die Bevölkerung ist gezwungen, den steinigen Boden anzubauen und sich so notdürftig zu ernähren, sie ist gezwungen, Waldarbeit und Gelegenheitsarbeit zu verrichten. Die Einnahmen der Gemeinde sind so gering, daß in einem Falle, wo ein Einwohner in die Irrenanstalt überführt werden mußte, die Ausgaben für diesen einen Kranken höher waren, als die ganzen Gemeindeabgaben. Die Verpflegskosten für den Kranken in der Irrenanstalt betrugen 17.000 Kè, die Gemeindeeinnahmen aber nur ca 10.000 Kè. Nun fragen wir, was geschieht in den Fällen von Epidemien, wenn hygienische Maßnahmen zu treffen sind, wenn die Gemeinden ihrer Einnahmen beraubt sind und keine Vorkehrungen für die Bevölkerung treffen können? Wenn der Herr Pater Šrámek gesagt hat, mit aufgehobenen Händen hätten ihn die Heimarbeiter gebeten, daß sie aus der Versicherungspflicht ausgeschaltet werden, so will ich nicht sagen, daß diese Deputation vielleicht eine bestellte war. Aber Tatsache ist es, daß alte Arbeiter jahrelang von ihren wenigen Groschen, die sie haben, sich freiwillig die Versicherung in den Krankenkassen zahlen, damit sie in ihrem Alter den Arzt und die Medikamente bekommen, weil sie es verschmähen, die elende und notdürftige Behandlung und Gewährung von Medikamenten durch die Gemeinden zu erhalten. 60, 70 und 80 Jahre alte Arbeiter halten die freiwillige Versicherung in den Krankenkassen bis zum Lebensende aufrecht, nur damit sie Anspruch auf die Wohltaten der Versicherung haben. Da will man sagen, daß eine Deputation mit aufgehobenen Händen gebeten hat, man solle sie aus der Versicherung ausschließen? Wenn es auch der Fall war, so war es Pflicht dieses christlichen Herrn, des Herrn Šrámek, dafür zu sorgen, daß vom Staat oder von den Unternehmern, die vom Elend dieser Arbeiter leben, die Beiträge bezahlt werden.

Die Verbilligung der Versicherung wurde neben der Ausschaltung der Jugendlichen bis zum 16. Lebensjahre, der Ausschaltung der beschäftigten Familienmitglieder in der Landwirtschaft, der Beschränkung der Versicherungspflicht der Saisonarbeiter und der Heimarbeiter noch weiters dadurch erzielt, daß man auch gleichzeitig die Soldaten, für die nach dem alten Sozialversicherungsgesetz das Nationalverteidigungsministerium verpflichtet war, die Beiträge an die Zentralsozialversicherungsanstalt zu leisten, in die niedrigste neugeschaffene Klasse, in die Aa-Klasse, eingereiht hat. Was das Nationalverteidigungsministerium erspart hat, zeigen uns folgende Ziffern: Nach dem alten Gesetze sollte das Ministerium für nationale Verteidigung ungefähr 16 Mill. an Versicherungsbeiträgen jährlich bezahlen. Nach der neuen Vorlage, nach der Umreihung der Soldaten in die niedrigste Klasse, beträgt diese Summe nur neun Mill. Kè. Das bedeutet, daß das Ministerium für nationale Verteidigung 7 Mill. Kè erspart. (Výkøiky na levici: Um neue Kanonen kaufen zu können!) Jawohl! Kanonen sind wichtiger als die Versicherung der Arbeiter, die man aus den Betrieben herausgerissen und eingekleidet hat, damit sie dem Vaterlande dienen. Aber es wäre weit gefehlt, wenn man annehmen wollte, daß das Nationalverteidigungsministerium seine Verpflichtung gegenüber der Zentralsozialversicherungsanstalt vor der Novellierung voll und ganz erfüllt hätte. Das Ministerium hätte für das erste Jahr 1926/27 16 Mill. Kè und bis heute ungefähr noch zwei Drittel zu bezahlen. Von den 24 Millionen, die es zu bezahlen gehabt hat, hat das Ministerium bis heute für 1927 2 Mill. Kè und für 1928 50.000 Kè bezahlt. (Výkøiky na levici.) Das heißt, das Ministerium ist das Geld schuldig geblieben. Wir wollen nicht untersuchen, ob das Ministerium für diese Schulden Zinsen bezahlt. Wenn ein kleiner Gewerbetreibender, irgendein armer Teufel Beiträge an die Krankenversicherung schuldig bleibt oder wenn ein Gewerbetreibender, ein Arbeiter oder sonst irgendjemand Steuern schuldig bleibt, dann ist die Exekution sofort da, da pfändet und nimmt man dem armen Teufel, wo nur was zu nehmen ist. Aber wenn das Nationalverteidigungsministerium auf einen Betrag von 24 Mill. Kè bis heute nur 2 Mill. Kè bezahlt hat, schert sich kein Mensch darum. Man schafft Gesetze nur für die anderen. Für die Herren, für die Regierung gelten aber die Gesetze nicht. (Výkøiky na levici.)

Die Versicherung wie die ganze Gesundheitspolitik hängen, wie ich schon anfangs meiner Ausführungen gesagt habe, nicht allein von den Maßnahmen der Versicherung im Falle der Krankheit ab, das wichtigste sind vielmehr die vorbeugenden Maßnahmen; dies ist Aufgabe der Krankenkassen und des Staates. Und was sehen wir? Der Staat wie auch die Krankenkassen kümmern sieh nicht um die Heilfürsorge, nicht um die erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen, weil die notwendigen Mittel angeblich nicht aufgebracht werden können, um vorbeugend wirken zu können. Erst wenn der Arbeiter erkrankt ist, greifen die Krankenversicherungsanstalten ein. Wir wissen, wie die Gesundheitspolitik mit der Wohnungsfürsorge, mit den Krankenhäusern, der Kinder- und Mutterfürsorge usw., mit der Hygiene in den Betrieben, in den Gemeinden, kurz überall zusammenhängt. Aber für all das gibt es kein Geld. Wir wissen, daß die Èechoslovakei in der Tuberkulosenfürsorge an 14. Stelle steht, daß unsere Wohnungsverhältnisse elende sind. Das wurde schon in der letzten Debatte von unseren Parteigenossen treffend und eingehend erörtert. Man braucht nur in Prag herumzusehen, in welchen elenden Löchern die Arbeiter wohnen müssen, und kann ermessen, welchen Gefahren die Arbeiter ausgeliefert sind; und wir dürfen uns dann nicht wundern, wenn die Tuberkulose gewaltig um sich greift, die Kinder rhachitisch werden und jen Widerstandskraft nicht mit auf den Weg bekommen, die in dieser rationalisierten Wirtschaft erforderlich ist. Wir wissen aber auch, daß die Krankenhäuser mangelhaft ausgestattet sind, über wenige Infektionspavillone verfügen, nicht die notwendige Bettenzahl haben. (Výkøiky na levici: Die Kranken müssen auf dem Fußboden liegen!) Jawohl, so ist es! Die Einrichtungen der Spitäler sind nicht, ich will nicht sagen, mustergültig, aber auch nicht so, daß sie den Anforderungen entsprechen. Die Mutter- und Kinderfürsorge läßt nach. Man überläßt sie der privaten Fürsorge. Der Staat glaubt, sich der Verpflichtung, um Mütter und Kinder zu sorgen, entheben zu dürfen, abgesehen davon, daß der Staat für die überalten Personen nichts macht, daß er sie einfach der Gnade der Gemeinde und ihrer Bekannten in der Umgebung überläßt. Wir wissen, daß die Sozialpolitik in der Èechoslovakei, aber auch in jedem anderen bürgerlichen Staate ein eigener Typ ist. Man beurteilt die Einrichtungen der Sozialpolitik nach den Schichten der Bevölkerung, nach ihrer Wichtigkeit für den Staatsapparat und die Bourgeoisie. Es werden in der Versicherung die Beamten in den staatlichen Ämtern anders behandelt, anders die Privatangestellten, anders die Arbeiter, anders die Selbständigen, anders die Pensionisten, die alten und die neuen. Wir haben eine derartige Versicherungstechnik in der Sozialpolitik, daß für jeden Stand und für jede Kategorie ein anderer Maßstab angewendet wird. Am schlechtesten hat es in der Sozialpolitik der Èechoslovakei die Arbeiterfrau. Die Arbeiterfrau ist am schlechtesten gestellt. Anders werden die Frauen der Beamten, der Staatsbeamten und auch der Privatbeamten behandelt und anders die Frauen der Arbeiter. Ich will nicht all das wiederholen, was zu dieser Frage bereits die Redner der einzelnen Parteien gesagt haben. Aber Tatsache ist, daß die Frauen an und für sich die ganzen Härten der kapitalistischen Wirtschaftsordnung am eigenen Leibe spüren, daß die Frauen die schwersten Lasten dieser Wirtschaftsordnung zu tragen haben, wir sehen, daß in der sozialen Gesetzgebung die Frau am stiefmütterlichsten behandelt wird.

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