Pátek 21. záøí 1928

Die einzelnen Kategorien werden nach der jeweiligen politischen Konstellation behandelt. Man gibt auch Konzessionen, je nachdem, wie die Gefahr der Rebellion der einen oder der anderen Schichte besteht, und wenn man bei der Novellierung irgendwelche Konzessionen gemacht hat, so gab man die Konzessionen dem Arbeiter nur deshalb, weil man irgendeinen größeren Aufmarsch im Jubiläumsjahr verhindern wollte. Es darf nicht gestört werden die Harmonieduselei, es darf nicht gestört werden die Freudenstimmung, die man zu dem 10jährigen Bestande dieses Staates entfalten will. Und so beeilt man sich noch rasch vor Torschluß, vor dem Jubiläumstage, einige sozialpolitische Gesetze zu verwirklichen. Neben der Novellierung der Sozialversicherung, die dem Arbeiter irgendwelche Verbesserungen gebracht hat, beeilt man sich, ein Gesetz für die Überalterten vorzulegen, beeilt man sich, das Gesetz für die Privatangestellten zu bringen, kurz und gut, so rasch als möglich will man noch schnell jedem etwas bringen, damit alle sagen können, wie gut es um sie in der Èechoslovakei bestellt sei.

Den klassenbewußten Arbeiter darf dieses Austeilen der Zuckerl nicht täuschen. Der klassenbewußte Arbeiter muß bei diesem Gesetze sehen, daß es nicht um eine Novellierung zur Verbesserung der Sozialversicherung geht, sondern darum, daß die Bourgeoisie den Einfluß der sozialistischen Parteien auf den Sozialversicherungsapparat einschränkt, daß sich die Bourgeoisie des Apparates bemächtigt, damit sie allein entscheidet über die soziale Fürsorge in diesem Staate. Wir konstatieren: Den Koalitionsparteien ist dieser Schachzug vollständig gelungen. In den letzten Stadien der Verhandlungen im sozialpolitischen Ausschuß haben wir gesehen: solange es um die Leistungen in dem Gesetz gegangen ist, da haben die Herren der Koalition mit sich reden lassen, sie gaben da und sie gaben dort eine Verbesserung zu. Man rechnete aus, wieviele Millionen das kosten werde. Bald machte es 6, dann 20, dann 30 Millionen, und zum Schluß hat der Berichterstatter des Budgetausschusses gesagt, daß eine allgemeine Ersparnis von 73 Millionen für die Volkswirtschaft resultiere. Wir sehen also, wieviel die Herren für die Sozialversicherung gegeben haben. Aber wenn die Koalitionsparteien bei dem Kapitel der Leistungen nachgiebig waren, so waren sie unnachgiebig in dem Augenblick, wo es galt, die Organisationsbestimmungen des Gesetzes zu behandeln. Da gab es keine Nachgiebigkeit, da setzte die Majorität einfach gewaltmäßig ihre Forderungen durch, da gab es keinen Schacher mehr, da gab es das brutale Diktat. Deshalb haben die Koalitionsparteien vollständig das durchgesetzt und gewonnen, was sie sich als Ziel gesetzt haben. Es galt vor allem anderen, die Zertrümmerung der Autonomie der Krankenversicherungsanstalten, es galt, die Beseitigung der Verbände duchzusetzen. Man wußte genau: Ohne Zerstörung der Autonomie, ohne Beseitigung der Verbände wird es der Bourgeoisie nie gelingen, den Apparat den Arbeitern zu entwinden und an die Bourgeoisie auszuliefern, und deshalb war ihr Bestreben vor allem anderen von oben bis hinunter und von unten bis hinauf eine vollständige Umstellung des Apparats, Einflußnahme aller entscheidenden Körperschaften in diesem Staate auf den Apparat. Und wenn Monate lang über die Parität geschachert wurde, ob 8 zu 4 oder 9 zu 3, so können wir heute sagen, daß das nur ein Wortspiel war, ein Wortspiel deshalb, weil ja nicht entscheidend ist, ob neun Arbeitervertreter und drei Arbeitgeber im Vorstand oder umgekehrt drei Arbeitnehmer und neun Arbeitgeber im Aufsichtsrat sitzen, entscheidend ist vielmehr, welche Kompetenz man dem Vorstand und Aufsichtsrat belassen und welche Kompetenz man dem gemeinsamen Ausschuß zugewiesen hat. Und da finden wir, daß die Kompetenz der gemeinsamen Sitzungen bedeutend erweitert wurde, wogegen die Kompetenz aller anderen Ausschüsse eingeschränkt wurde. Wir sehen gerade bei diesem Kapitel das Verhalten der sozialistischen Parteien. Die Ernennung der leitenden Personen, des Direktors, des Kassiers- und Buchhalters sollte nach dem alten Gesetz durch die Zentralsozialversicherungsanstalt auf Vorschlag der Vorstände erfolgen. Nach der neuen Fassung des Gesetzes erfolgt die Ernennung durch das Ministerium für soziale Fürsorge auf Vorschlag der Zentralsozialversicherungsanstalt. Was bedeutet das? Es werden die Kassenvorstände nie die Möglichkeit haben, überhaupt darüber zu entscheiden, wer in der Kasse angestellt sein soll, wer die Kasse verwalten soll, entscheiden wird vielmehr das Ministerium für soziale Fürsorge; und da kommt der Pferdefuß: nur jene Elemente werden in den Verwaltungen der Krankenkassen angestellt sein, die staatstreu sind, die sich vollständig in den Dienst der herrschenden Parteien stellen werden. Es wird auf diese Art zwei Kategorien von Angestellten geben, Angestellte, die dem Vorstand unterstehen werden und Angestellte, die nicht dem Vorstand unterstellt sind, sondern der Zentralsozialversicherungsanstalt. Als man den Vorwurf erhob, daß die Sozialdemokratie, insbesondere Herr Dr Winter, schuld sei, daß er derjenige war, der begonnen hat mit dem Abbau der Autonomie, der begonnen hat, die Autonomie der Krankenversicherungsanstalten zu zertrümmern, da erklärte Herr Dr Winter wörtlich: "Ich habe die Sozialversicherung nie als Machtfrage behandelt, vielleicht ist dies ein Fehler, aber ich kann mich nicht mehr ändern, ich werde sicherlich auch mit diesem Fehler sterben". Meine Herren, und als ihm die kommunistischen Vertreter vorgeworfen haben, daß er damals nicht die Möglichkeit ausgenützt hat, die Macht der sozialistischen Parteien auf die Sozialversicherung festzulegen, daß er es war, der schon damals den Krankenkassenvorständen das Recht der Ernennung der leitenden Beamten genommen hat, da mußte er es zugeben, als er gesehen hat, wie gut, wie raffiniert die Koalitionsparteien heute ihre Macht ausnützen. Und der Abg. Petr hat vollständig recht, wenn er sagt, daß die Novellierung der Sozialversicherung eine politische Frage ist. Wir wissen es und wir behandeln sie auch dementsprechend. Aber man hat auch den Vorständen in den einzelnen Krankenkassen sowie auch in der Zentralsozialversicherungsanstalt das vollständige Verfügungsrecht genommen. Die einzelnen Vorstände der Krankenkassen können auch gemeinsam mit dem Aufsichtsrate nicht über die Mittel verfügen, die für die Krankenversicherungsanstalten erforderlich wären bei der Erwerbung von Gebäuden, zur Einrichtung von Ambulatorien, bei der Erwerbung von Gründen zur Erbauung von Wohnhäusern und diversen Anstalten. Dieses Recht werden die Vorstände nicht mehr haben, dieses Recht hat ausschließlich die Zentralsozialversicherungsanstalt, aber nur im Einvernehmen und unter der Aufsicht des Ministeriums für soziale Fürsorge und des Finanzministeriums. Neben der Novellierung des Gesetzes werden, so heißt es noch, im Verordnungswege, Richtlinien für alle möglichen Gebiete der Krankenversicherung herausgegeben werden, so in der Geldanlage, in der Heilfürsorge, in der Behandlung der Patienten, in der Anstellung von Ärzten, Hebammen usw. Aber auch Richtlinien bei der Behandlung der Gehaltsfrage, und es ist ausdrücklich in den einzelnen Paragraphen festgesetzt, daß man bei der Regulierung der Gehälter der Beamten der Krankenversicherungsanstalten sehr anständig vorgehen soll. Was die Anständigkeit in diesem Staate und besonders bei der Regulierung von Löhnen und Gehältern bedeutet, das wissen wir. Die Bezahlung der Beamten wird abhängen von dem Gutachten des Finanzministeriums. Es ist das erstemal, wo sich das Ministerium dem Einfluß auf die Bezahlung der Angestellten irgendeiner Organisation sichert. Wir haben noch nie gehört, daß das Finanzministerium Einfluß nimmt auf die Bezahlung der Angestellten der Gemeinden, der Sparkassen, der Vorschußkassen oder irgendwelcher anderer Anstalten. Aber gerade in der Krankenversicherung reklamiert das Finanzministerium dieses Recht. Wie weit der Einfluß der Regierung und der Bourgeoisie auf die Krankenversicherung gehen wird, zeigt uns ein Beispiel, das vielleicht nicht ganz glaubwürdig erscheint, aber doch der Wirklichkeit entspricht. Wir haben im Vorstande neun Arbeitervertreter. Nach den diversen Bestimmungen des Gesetzes haben nun das Ministerium für soziale Fürsorge, das Finanzministerium die Vertreter der Zettelbank, die Vertreter der Zentralsozialversicherungsanstalt, der politischen Bezirksverwaltungen und im Rekurswege der Landesverwaltungen und, da nach der Verwaltungsreform der Bezirkshauptmann von der Verwaltungskommission unabhängig ist, der Bezirkshauptmann, der Aufsichtsrat und die neu zu schaffenden Landesstellen der Zentralsozialversicherungsanstalt die Möglichkeit der Aufsicht und der Einflußnahme auf die Geldgebarung und auf die Wirtschaft in der Sozialversicherung. Und wenn wir uns diese Aufsichtsbehörden ansehen, so kommt auf jeden Arbeitervertreter im Vorstande eine Aufsichtsbehörde, irgendein Organ des staatlichen Machtapparates. Sie werden nun ermessen können, wie die Versicherung für die Arbeiter beschaffen sein wird.

Es sprach da insbesondere ein Vertreter der Koalitionsparteien, ein Gewerbeparteiler, von der Entpolitisierung der Sozialversicherung. Auf der einen Seite entpolitisiert man, d. h. man versucht mit aller Macht, den Einfluß der sozialistischen Parteien in den Krankenkassen zu brechen, auf der anderen Seite aber haben es die Herren glänzend verstanden, ihren Einfluß in den Krankenversicherungsanstalten, in der Sozialversicherung, geltend zu machen. Wie naiv sich die Vertreter der sozialistischen Parteien zu diesem Beginnen der Koalitionsparteien stellten, zeigen uns einige Aussprüche der sozialdemokratischen und nationalsozialistischen Führer. Als es z. B. galt, irgendeine Bestimmung in dem einen oder anderen Paragraphen zu bekämpfen, da fragte der Abg. Johanis die Herrschaften: "Hat der Staat ein Interesse an dieser Fassung des einen oder des anderen Paragraphen?" Ein anderer erklärte: Da muß ein schlechter Beamter im Ministerium sitzen, der ein Interesse daran hat, den Apparat der Sozialversicherung so zu belasten und zu verschlechtern, daß ein Amtieren beinahe zur Unmöglichkeit wird. Andere wieder sprachen davon, daß die Administrative eine sehr schwerfällige sein wird, daß sie sich in vielen Punkten widerspricht und daß ihre Handhabung unmöglich ist. Und alle im Chor wollten nicht begreifen, daß in jedes einzelne Wort in den einzelnen Paragraphen mit ganz bestimmter Absicht der Sinn hineingelegt wurde, um unter allen Bedingungen und mit allen Mitteln den Einfluß der Bourgeoisie und der Regierung zu verankern. Jeder Paragraph ist raffiniert durchdacht, damit man, wenn der eine oder andere nicht zur Geltung kommt, noch immer die Möglichkeit hat, seinen Standpunkt durchzusetzen. Wohl gaben die sozialpatriotischen Führer, als die Vertreter der kommunistischen Partei immer wieder gegen den Schacher der sozialistischen Führer, gegen den Pakt, den sie geschlossen haben, ankämpften, eine Antwort, aber immer nur die eine Antwort: "hlupáci". Mit dem Worte warf man im sozialpolitischen Ausschuß, aber auch im Plenum herum. Herr Dr Winter stellt sich als den besten Fachmann der Sozialversicherung her. Er ist der Schöpfer dieses großen Standardwerkes, er ist es, der allein entscheiden kann, was recht oder unrecht ist. Und wenn die Herrschaften noch so viel mit "hlupáci" und "blbosti" herumgeworfen haben, so können wir ihnen nur das eine sagen, daß sie es sind, die die Schuld daran tragen, daß es den Koalitionsparteien, der Regierung und der Bourgeoisie gelungen ist, den Apparat der Sozialversicherung an sich zu reißen und den Einfluß der Arbeiter in den Krankenkassen zu brechen. Wer war es, der die Arbeiter gegen die Krankenversicherungsanstalten aufhetzte, wie man uns immer vorwirft? Wer hat es verursacht, daß die Arbeiterschaft desinteressiert ist an den Krankenversicherungsanstalten, an der Sozialversicherung? Die Sozialdemokraten waren es, die seit einem Jahrzehnt keine Wahlen in die Krankenversicherungsanstalten ausgeschrieben haben. (Sehr richtig!) Sie fürchteten, daß sie ihre Domänen, ihre politischen Exposituren verlieren könnten, und deshalb schrieben sie eben die Wahlen nicht aus. Das ist wie gesagt die Folge, daß die Arbeiter desinteressiert sind, ja oft mit einem gewissen Haß den Krankenversicherungsanstalten gegenüberstehen. Wo die "blbci" und "hlupáci" sitzen, darüber werden die Arbeiter entscheiden. Wir aber werden ein Schauspiel erleben! Es ist beinahe so das Schicksal, daß sich in der Geschichte alles zweimal wiederholt. Im Jahre 1924, als die kommunistische Partei gegen die Sozialversicherung gestimmt hat, da heulten die sozialistischen Parteien auf und riefen "Verrat!". Damals stimmten die kommunistischen Vertreter gegen die Sozialversicherung, weil diese den Forderungen der Arbeiterschaft nicht entsproch en hat, gleichzeitig aber auch eine Verschlechterung der Krankenversicherung bedeutete, eine Verschlechterung, die sich in bedeutendem Maße gegen die Arbeiterschaft auswirkte. Und heute werden wir ein Schauspiel erleben: Werden die Sozialdemokraten, die diese Vorlage als "protidìlnické dílo" bezeichnen, die die Erfolge zu ihren Gunsten buchen, erklären, daß sie sie im ganzen und großen nicht annehmen werden, werden die Herrschaften für diese Vorlage stimmen oder nicht? Werden sie für die Vorlage stimmen, dann wird sich das Schauspiel vom Jahr 1924 wiederholen. Stimmen sie also für die Vorlage, dann sind sie einverstanden damit, daß man die Sozialversicherung und die Autonomie zertrümmert, die Sozialversicherung an die Bourgeoisie ausliefert. Und nun werden die sozialistischen Führer zu entscheiden haben. Dem Schicksal werden sie nicht entgehen. Es haben schon die Kollegen Štìtka und Burian auf die neue Organisation des Apparates hingewiesen, und ich will nur noch eines hinzufügen, daß das Präsidium der Zentralsozialversicherungsanstalt gestern beim Minister Šrámek und beim Obmann des Achterausschusses Bradáè vorstellig wurde, um gegen die Errichtung der Landesstellen der Zentralsozialversicherungsanstalt Einwendungen zu erheben. Aber nicht nur das Präsidium der Zentralsozialversicherungsanstalt wurde bei der Regierung vorstellig, sondern im Laufe des gestrigen Tages kamen auch die Vertreter der Industriellen und verlangten die Novellierung der in diesem Gesetze neugeschaffenen 11. Lohnklasse. Sie behaupten, daß das eine kolossale Belastung der Industrie bedeuten würde. Und schon spricht man in den Couloirs davon, daß die Debatte abgebrochen werden soll und daß man mittlerweile mit den Gewaltigen dieses Staates, mit den Vertretern der Schwerindustrie verhandeln will. (Posl. Neurath: Mit den Herren, mit einem Worte!) So ist es, mit den Herren dieser Republik. Man hat bei der Besteuerung des Zuckers gesehen und sieht es bei dieser Vorlage, wie entschieden in diesem Staate die Vertreter der Zuckerindustrie, die Vertreter der Zuckerbarone, kurz und gut die Herren entscheiden, wie die Gesetze in diesem Staate aussehen sollen, ob das Parlament diesen oder jenen Paragraphen annehmen darf oder nicht. Und so sollen die Verhandlungen heute unterbrochen und Dienstag erst fortgesetzt werden. Mittlerweile will man neuerlich die Schacherverhandlungen aufnehmen, ob man nicht doch vielleicht als Kompensation für die Auflassung der 11. Lohnklasse in das Gesetz die Überalten hineinnehmen könnte, wogegen sich die Koalitionsparteien anfangs mit Händen und Füßen sträubten. Das zeigt uns also deutlich, wer in diesem Staate die Macht hat, in welchem Interesse die einzelnen Gesetze liegen. Wer entscheidet über das Schicksal von Tausenden von Millionen Menschen? Das sind die Vertreter des Kapitalismus, die Exponenten der privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung. Die entscheiden über das Wohl und Wehe, über die Gesundheit, über das Leben von Hunderttausenden von Menschen.

Ich habe schon erwähnt, daß auch hier der Staat bei der Novellierung der Sozialversicherung sein Schäfchen ins Trockene bringen, irgendwelche Gewinne aus der Novellierung sich schaffen wollte, vor allem dadurch, daß das Finanzministerium und die Zettelbank Einfluß auf die Verwaltung der Geldwirtschaft der Zentralsozialversicherungsanstalt nehmen, daß das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für soziale Fürsorge über Milliarden von Volksvermögen, über Gelder, die die Arbeiter eingezahlt haben, entscheiden wird. Das Ministerium für nationale Verteidigung erspart jährlich seine sieben Millionen Kè, in dem es die Soldaten in die tiefste Klasse der Versicherung einreiht. Die Steuerbehörden, der Steuerfiskus, haben ihren Profit dabei, indem von den Leistungen aus der Sozialversicherung 2% Rentensteuer gezahlt werden müssen, aber auch das Postärar zieht seinen Profit daraus dadurch, daß es den Krankenkassen die Möglichkeit genommen hat, Briefe austragen zu lassen. Es ist ein Unikum, das da geschaffen wurde und die koalierten Parteien erschrecken selbst vor der Konsequenz dieser Fassung, wo es heißt, daß die Krankenversicherungsanstalten nicht das Recht haben, außer durch die Post, irgendwelche Briefe zuzustellen. Stellen Sie sich einmal vor: Jeder Greisler, jeder Kaufmann, hat das Recht, durch irgendjemanden einem anderen eine Nachricht zukommen zu lassen. Die Krankenversicherungsanstalten dürfen das aber nicht tun, sie müssen die Post benützen. Das bedeutet, daß auch das Postärar hier sein Sümmchen verdienen will. Also auf Kosten der Sozialversicherung, auf Kosten der Kranken und Versicherten wollen alle Institutionen in diesem Staate soviel aus der Sozialversicherung herauspressen, als sich nur immer herauspressen läßt. (Posl. Èervinka: Kolik se dá!) Jawohl.

So sieht die Sozialpolitik im bürgerlichen Staat aus. Anders in Sowjetrußland; anders sind die Grundsätze der Sozialpolitik in einem proletarischen Staate. Während man in der Èechoslovakei darangeht, den Kreis der Versicherten zu durchlöchern, große Gruppen von Arbeitern aus der Versicherung direkt oder indirekt herauszunehmen, besteht in Sowjetrußland die allgemeine Versicherungspflicht aller arbeitenden Menschen. Der Grundsatz der staatlichen Pflichtversicherung ist dort in Geltung. Wenn wir die Bilanz des 10jährigen Bestandes Sowjetrußlands hernehmen, so sehen wir einen gewaltigen Fortschritt, seitdem die kommunistische Partei das traurige Erbe der Zarenherrschaft übernommen hat. Es wurde eine mustergültige Sozialversicherung geschaffen, in der die Arbeiter selbst die Macht in Händen haben. Die Grundsätze der Sozialpolitik in Sowjetrußland sind folgende: Einbeziehung aller Arbeitenden. Unterstützung jeder Art der Arbeitsunfähigkeit und Hilfe bei Bedrohung der Lebensexistenz, Überwälzung der Lasten der Versicherung auf die Unternehmungen, Unterstützung durch hohe Arbeitslöhne, vollständige Selbstverwaltung der Versicherung und Zentralisation der Versicherung.

Ich sagte schon anfangs, daß es bis auf einen Punkt gelungen ist, die Resolution Lenins zu verwirklichen und so sehen wir, daß die Arbeiter aus der Sozialversicherung zahlreiche Vorteile genießen. Vor allem wird in Sowjetrußland neben der ärztlichen Hilfeleistung und den Medikamenten auch eine Natural- und Geldleistung gewährt, die die Höhe der Beträge in der Èechoslovakei bei weitem überschreitet. Die manuellen Arbeiter werden den geistigen Arbeitern vorgezogen. Bei der Schwangerschaft erhalten die geistigen Arbeiterinnen 6 Wochen vor und 6 Wochen nach der Entbindung den tatsächlichen Lohn ausbezahlt, die körperlichen Arbeiterinnen bekommen noch um 2 Wochen mehr, d. h. 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung die Unterstützung. Bei der Entbindung selbst wird der geistig Arbeitenden sowie der manuellen Arbeiterin eine Aussteuer fürs Kind in der Höhe eines monatlichen Durchschnittslohnes gewährt. Die Stillprämie wird durch neun Monate gezahlt und beträgt ein Viertel des monatlichen Durchschnittslohnes. Beim Todesfall werden mindestens die tatsächlichen Ausgaben oder ein Monatslohn ausgezahlt, bei Arbeitslosigkeit mindestens ein Sechstel des Durchschnittslohnes durch sechs Monate. Sie schaffen hier eine Altersgrenze von 65 Jahren. In Sowjetrußland gibt es nur zwei Dinge, das 50. Lebensjahr und 8 Jahre Arbeit. Wenn der Arbeiter auf fremde Hilfe angewiesen ist, so wird ihm der ganze Lohn ausgezahlt. Benötigt er keiner fremden Hilfe, so nur drei Viertel. Wir sehen aber auch, daß in der Sozialversicherung Sowjetrußlands die Gesundheitsverhältnisse sich vollständig zu Gunsten der Arbeiterklasse geändert haben. Dies war nur dadurch möglich, daß das Gesundheitswesen Sowjetrußlands sozialisiert, das Ärztemonopol zerschlagen, die pharmazeutische Industrie, das Apothekenwesen nationalisiert wurde. Sanatorien und Kuranstalten wurden den breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung eröffnet.

Und so finden wir bei einem Überblick über die Tätigkeit der Bolschewiken in den 10 Jahren folgende interessante Daten: Das Budget des Kommissariats für Gesundheitswesen für 1927/28 ist mit 34,999.274 Rubeln dotiert und ist um 15% höher als im Jahre 1926. Für die Sozialversicherung und für das Gesundheitswesen gilt in Sowjetrußland die Parole: der Schutz der Gesunden ist die Sache der Werktätigen selbst. So kam es, daß die Sterblichkeit bedeutend gesunken ist. In den Jahren 1911 bis 1913 betrug sie 27.3 auf 1000 Personen, in der Nachkriegszeit steigerte sich diese Ziffer auf 33.4, im Jahre 1926, also unter der Herrschaft der Bolschewiki, wo die Arbeiter selbst ihr Schicksal in die Hand genommen hatten, sank die Sterblichkeit auf 21.5, war also geringer als in der Vorkriegszeit. Sowjetrußland war früher bekannt als das Land der Epidemien. Schon Lenin sagte auf dem 8. Sowjetkongreß: "Entweder die Laus besiegt den Sozialismus, oder der Sozialismus besiegt die Laus." Tatsächlich haben die Bolschewiki Gewaltiges im Kampf gegen die Epidemien geleistet. Im Jahre 1913 kamen auf 10.000 Erkrankungen 7.3, im Jahre 1919/20 nur mehr 4.4, im Jahre 1926 nur mehr 3.7 Erkrankungen an Flecktyphus. Es ist also dem Kommissariat für Gesundheitswesen und dem von ihm aufgebotenen Apparat gelungen, diese Epidemie auf die Hälfte der Vorkriegszeit herabzusetzen. Das war nur möglich durch die gewaltige sanitäre Leistung des Kommissariats, welches mit Hilfe von Ausstellungen, Vorträgen, Radio usw. den Epidemien zu Leibe rückte. Die Tuberkulose grassiert in Sowjetrußland wie in jedem anderen Lande sehr stark. Da machten nun im Kampfe gegen die Tuberkulose die kommunistische Partei und ihr Staatsapparat folgendes: Sie wußte ganz gut, daß der Kranke nicht zu Hause geheilt werden kann, daß es nur möglich ist, wenn man ihn von dem Gesunden isoliert. Im Jahre 1921 bestanden 15 Dispensarien und im Jahr 1926 schon 223, anfangs 1927 schon 418 Dispensarien für Tuberkulöse. Sanitäre Hilfe leisteten 281 Anstalten mit 16.343 Betten. Außer diesen Anstalten gibt es noch unzählige Tag- und Nachtstationen, wo die Arbeiter nach der Arbeit Behandlung und Ruhe, aber auch Diät und Kost finden. Auch gegen die venerischen Erkrankungen wurde in Rußland sehr stark angekämpft. Im Jahre 1920 bestanden 200 Dispensarien, venerische Sanitätskolonnen und Ambulatorien, die die Aufgabe hatten, nicht Anstaltsbedürftige aufzunehmen, im Jahre 1926 bestanden bereits 713. Alle diese Maßnahmen müssen sich auswirken. Wir sehen, daß die Kindersterblichkeit immer tiefer sinkt. In den Jahren 1910 bis 1914 waren auf 100 Lebendgeburten bis zum 1. Lebensjahre 25.6 Todesfälle zu verzeichnen, im Jahre 1926 nur mehr 19. Für die Mutter- und Kinderfürsorge wird eben auch sehr viel getan und so wurden zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit 640 Konsultationsstellen eingerichtet, im Jahre 1926 wurden bereits 839 Krippen und außerdem noch Sommerkrippen für die Landwirtschaft eingerichtet. Solche Sommerkrippen gab es im Jahre 1922 248, im Jahre 1926 bereits 4128.

Sie sehen also die gewaltigen Einrichtungen, die man in Sowjetrußland, in einem proletarischen Staat, für die Volksgesundheit trifft, wo man immer wieder aufbaut und aufbaut und große Erfolge erzielt, während man in den kapitalistischen Staaten darangeht, die sozialen Einrichtungen abzubauen, um die Industrie nicht unnötig zu belasten.

Aber die Einrichtungen der Heilanstalten bieten noch folgende interessante Ziffern: Im Jahre 1913 gab es in den Heilanstalten 146.381 Betten, im Jahre 1926 gab es aber schon 198.518 Betten. In diese Ziffer sind nicht eingerechnet die Betten der Krankenkassen des Kriegskommissariates, der Kliniken und der Bildungsanstalten. Ärztliche Punkte gab es im Jahre 1913 2732, im Jahre 1926 bereits 4251, Betten am Lande im Jahre 1913 46.826, im Jahre 1926 bereits 53.002. Die Kurorte wurden vollständig der arbeitenden Bevölkerung, insbesondere den Industriearbeitern und den Landarbeitern geöffnet. So gab es für die Arbeiterschaft in diesen Kurorten im Jahre 1922 13.721 Betten, im Jahre 1925 bereits 26.400. Die Anzahl hat sich in drei Jahren verdoppelt. Im zaristischen Rußland gab es diese Einrichtung nicht und deshalb sind sie doppelt hoch einzuschätzen.

Versicherte der Krankenkassen, die sich in den Sanatorien und Kurorten im Jahre 1928 nach einem bestimmten Plan befinden sollen, weisen folgende Ziffern aus: Das Landesversicherungsamt gab 151/2 Millionen Rubel zur Behandlung von versicherten Arbeitern in Sanatorien und Kurorten. In den Erholungsheimen befinden sich im Jahre 1928 289.450 Versicherte. In den Sanatorien wurden 33.926 versicherte Arbeiter untergebracht. In den südlichen Kurorten wurden 6287 versicherte Arbeiter untergebracht. Das sind gewaltige Ziffern. In diesem proletarischen Lande genießen die Arbeiter die Heilfürsorge, während sie hier die Bestrebungen der Bourgeoisie sehen, die spärlichen Einrichtungen noch abzubauen. In der Ukraine allein gibt es nach dem Aufnahmeplan der Krankenversicherungsanstalten im Jahre 1928 ca. 14.000 Heilstättenkranke, 12.000 ambulatorische Kranke, in den sogenannten Dispensarien. So leistet die Sozialversicherung in Sowjetrußland Gewaltiges, deshalb weil die versicherten Arbeiter selbst darüber entscheiden, wie die Versicherung aussehen soll. Die ganze Sozialpolitik ist auf das Interesse der arbeitenden Klasse eingestellt, während in jedem kapitalistischen Staat und so auch in der Èechoslovakei die Sozialpolitik nichts anderes ist, als ein politisches Schacherobjekt der jeweils herrschenden Koalitionsparteien und vor allem ein Objekt der besitzenden Klassen in diesem Staate. Aber nicht nur für die Versicherten, für die Arbeiter im allgemeinen wurde in diesen 10 Jahren in Sowjetrußland Gewaltiges geleistet. Wir sehen auch die Gesundheitspolitik in der Roten Armee, die wir besonders hervorheben müssen, weil wir die Vorgänge im èechoslovakischen Heer sehen, weil wir die steigenden Selbstmorde in der èechoslovakischen Armee sehen. Wir sehen, daß hier ungenügende Vorkehrungen getroffen wurden, daß man aber in Sowjetrußland, im Lande der Arbeiter und Bauern, den Soldaten ganz anders behandelt. 1918 bestanden nur wenige Bade- und Waschanstalten und Desinfektions, anlagen in der Armee. Schon 1920 sehen wir, daß die neugeschaffenen Einrichtungen hunderttausenden von Soldaten dienen können. 1918 wurden von 1000 Soldaten ungefähr 140 gegen Cholera und Typhus geimpft, 1920 sehen wir bereits, daß die Zahl auf 870 gestiegen ist, das heißt, daß man vorbeugende Maßnahmen getroffen hat, um in Rußland den Epidemien entgegenzutreten. 1918 kamen auf 1000 Soldaten 29 Spitalsbetten, 1920 bereits 82. Es wurden - ich spreche hier nur von der Armee - ca. 2500 Spitäler neu errichtet, 3000 Sanitätsanstalten, 12.000 Bade- und Waschstellen und ca. 11.000 Desinfektionsstellen. Seit 1923 kam in der Roten Armee kein einziger Cholerafall vor. Die Zahl der Darmtyphusfälle ist zehnmal geringer als in der Vorkriegszeit. Um nur ein kleines Bild vom Gesundheitszustand in der Roten Armee zu entwerfen, möchte ich folgendes sagen: 1913 starben von 100 Tuberkulösen 19.7, 1926 nur mehr 3.2, also 1919 beinahe 20%, 1926 nur mehr 3%. Sie sehen also, wie es der russischen Regierung gelungen ist, den Gesundheitszustand in der Roten Armee zu heben und zu bessern. Um das richtige Bild zu bekommen: Wir finden, daß z. B. in Amerika von 100 Tuberkulösen in der Armee 5.8 sterben, in der polnischen Armee 14.7, in der russischen Roten Armee nur 3.2. Sie sehen also die gewaltigen Erfolge, die das proletarische Rußland in seiner Gesundheits- und Sozialpolitik zu verzeichnen hat.


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