Die einzelnen Kategorien werden nach der jeweiligen
politischen Konstellation behandelt. Man gibt auch Konzessionen,
je nachdem, wie die Gefahr der Rebellion der einen oder der anderen
Schichte besteht, und wenn man bei der Novellierung irgendwelche
Konzessionen gemacht hat, so gab man die Konzessionen dem Arbeiter
nur deshalb, weil man irgendeinen größeren Aufmarsch
im Jubiläumsjahr verhindern wollte. Es darf nicht gestört
werden die Harmonieduselei, es darf nicht gestört werden
die Freudenstimmung, die man zu dem 10jährigen Bestande dieses
Staates entfalten will. Und so beeilt man sich noch rasch vor
Torschluß, vor dem Jubiläumstage, einige sozialpolitische
Gesetze zu verwirklichen. Neben der Novellierung der Sozialversicherung,
die dem Arbeiter irgendwelche Verbesserungen gebracht hat, beeilt
man sich, ein Gesetz für die Überalterten vorzulegen,
beeilt man sich, das Gesetz für die Privatangestellten zu
bringen, kurz und gut, so rasch als möglich will man
noch schnell jedem etwas bringen, damit alle sagen können,
wie gut es um sie in der Èechoslovakei bestellt sei.
Den klassenbewußten Arbeiter darf dieses
Austeilen der Zuckerl nicht täuschen. Der klassenbewußte
Arbeiter muß bei diesem Gesetze sehen, daß es nicht
um eine Novellierung zur Verbesserung der Sozialversicherung geht,
sondern darum, daß die Bourgeoisie den Einfluß der
sozialistischen Parteien auf den Sozialversicherungsapparat einschränkt,
daß sich die Bourgeoisie des Apparates bemächtigt,
damit sie allein entscheidet über die soziale Fürsorge
in diesem Staate. Wir konstatieren: Den Koalitionsparteien ist
dieser Schachzug vollständig gelungen. In den letzten Stadien
der Verhandlungen im sozialpolitischen Ausschuß haben wir
gesehen: solange es um die Leistungen in dem Gesetz gegangen ist,
da haben die Herren der Koalition mit sich reden lassen, sie gaben
da und sie gaben dort eine Verbesserung zu. Man rechnete aus,
wieviele Millionen das kosten werde. Bald machte es 6, dann 20,
dann 30 Millionen, und zum Schluß hat der Berichterstatter
des Budgetausschusses gesagt, daß eine allgemeine Ersparnis
von 73 Millionen für die Volkswirtschaft resultiere. Wir
sehen also, wieviel die Herren für die Sozialversicherung
gegeben haben. Aber wenn die Koalitionsparteien bei dem Kapitel
der Leistungen nachgiebig waren, so waren sie unnachgiebig in
dem Augenblick, wo es galt, die Organisationsbestimmungen des
Gesetzes zu behandeln. Da gab es keine Nachgiebigkeit, da setzte
die Majorität einfach gewaltmäßig ihre Forderungen
durch, da gab es keinen Schacher mehr, da gab es das brutale Diktat.
Deshalb haben die Koalitionsparteien vollständig das durchgesetzt
und gewonnen, was sie sich als Ziel gesetzt haben. Es galt vor
allem anderen, die Zertrümmerung der Autonomie der Krankenversicherungsanstalten,
es galt, die Beseitigung der Verbände duchzusetzen. Man wußte
genau: Ohne Zerstörung der Autonomie, ohne Beseitigung der
Verbände wird es der Bourgeoisie nie gelingen, den Apparat
den Arbeitern zu entwinden und an die Bourgeoisie auszuliefern,
und deshalb war ihr Bestreben vor allem anderen von oben bis hinunter
und von unten bis hinauf eine vollständige Umstellung des
Apparats, Einflußnahme aller entscheidenden Körperschaften
in diesem Staate auf den Apparat. Und wenn Monate lang über
die Parität geschachert wurde, ob 8 zu 4 oder 9 zu 3, so
können wir heute sagen, daß das nur ein Wortspiel war,
ein Wortspiel deshalb, weil ja nicht entscheidend ist, ob neun
Arbeitervertreter und drei Arbeitgeber im Vorstand oder umgekehrt
drei Arbeitnehmer und neun Arbeitgeber im Aufsichtsrat sitzen,
entscheidend ist vielmehr, welche Kompetenz man dem Vorstand und
Aufsichtsrat belassen und welche Kompetenz man dem gemeinsamen
Ausschuß zugewiesen hat. Und da finden wir, daß die
Kompetenz der gemeinsamen Sitzungen bedeutend erweitert wurde,
wogegen die Kompetenz aller anderen Ausschüsse eingeschränkt
wurde. Wir sehen gerade bei diesem Kapitel das Verhalten der sozialistischen
Parteien. Die Ernennung der leitenden Personen, des Direktors,
des Kassiers- und Buchhalters sollte nach dem alten Gesetz durch
die Zentralsozialversicherungsanstalt auf Vorschlag der Vorstände
erfolgen. Nach der neuen Fassung des Gesetzes erfolgt die Ernennung
durch das Ministerium für soziale Fürsorge auf Vorschlag
der Zentralsozialversicherungsanstalt. Was bedeutet das? Es werden
die Kassenvorstände nie die Möglichkeit haben, überhaupt
darüber zu entscheiden, wer in der Kasse angestellt sein
soll, wer die Kasse verwalten soll, entscheiden wird vielmehr
das Ministerium für soziale Fürsorge; und da kommt der
Pferdefuß: nur jene Elemente werden in den Verwaltungen
der Krankenkassen angestellt sein, die staatstreu sind, die sich
vollständig in den Dienst der herrschenden Parteien stellen
werden. Es wird auf diese Art zwei Kategorien von Angestellten
geben, Angestellte, die dem Vorstand unterstehen werden und Angestellte,
die nicht dem Vorstand unterstellt sind, sondern der Zentralsozialversicherungsanstalt.
Als man den Vorwurf erhob, daß die Sozialdemokratie, insbesondere
Herr Dr Winter, schuld sei, daß er derjenige war,
der begonnen hat mit dem Abbau der Autonomie, der begonnen hat,
die Autonomie der Krankenversicherungsanstalten zu zertrümmern,
da erklärte Herr Dr Winter wörtlich: "Ich
habe die Sozialversicherung nie als Machtfrage behandelt, vielleicht
ist dies ein Fehler, aber ich kann mich nicht mehr ändern,
ich werde sicherlich auch mit diesem Fehler sterben". Meine
Herren, und als ihm die kommunistischen Vertreter vorgeworfen
haben, daß er damals nicht die Möglichkeit ausgenützt
hat, die Macht der sozialistischen Parteien auf die Sozialversicherung
festzulegen, daß er es war, der schon damals den Krankenkassenvorständen
das Recht der Ernennung der leitenden Beamten genommen hat, da
mußte er es zugeben, als er gesehen hat, wie gut, wie raffiniert
die Koalitionsparteien heute ihre Macht ausnützen. Und der
Abg. Petr hat vollständig recht, wenn er sagt, daß
die Novellierung der Sozialversicherung eine politische Frage
ist. Wir wissen es und wir behandeln sie auch dementsprechend.
Aber man hat auch den Vorständen in den einzelnen Krankenkassen
sowie auch in der Zentralsozialversicherungsanstalt das vollständige
Verfügungsrecht genommen. Die einzelnen Vorstände der
Krankenkassen können auch gemeinsam mit dem Aufsichtsrate
nicht über die Mittel verfügen, die für die Krankenversicherungsanstalten
erforderlich wären bei der Erwerbung von Gebäuden, zur
Einrichtung von Ambulatorien, bei der Erwerbung von Gründen
zur Erbauung von Wohnhäusern und diversen Anstalten. Dieses
Recht werden die Vorstände nicht mehr haben, dieses Recht
hat ausschließlich die Zentralsozialversicherungsanstalt,
aber nur im Einvernehmen und unter der Aufsicht des Ministeriums
für soziale Fürsorge und des Finanzministeriums. Neben
der Novellierung des Gesetzes werden, so heißt es noch,
im Verordnungswege, Richtlinien für alle möglichen Gebiete
der Krankenversicherung herausgegeben werden, so in der Geldanlage,
in der Heilfürsorge, in der Behandlung der Patienten, in
der Anstellung von Ärzten, Hebammen usw. Aber auch Richtlinien
bei der Behandlung der Gehaltsfrage, und es ist ausdrücklich
in den einzelnen Paragraphen festgesetzt, daß man bei der
Regulierung der Gehälter der Beamten der Krankenversicherungsanstalten
sehr anständig vorgehen soll. Was die Anständigkeit
in diesem Staate und besonders bei der Regulierung von Löhnen
und Gehältern bedeutet, das wissen wir. Die Bezahlung der
Beamten wird abhängen von dem Gutachten des Finanzministeriums.
Es ist das erstemal, wo sich das Ministerium dem Einfluß
auf die Bezahlung der Angestellten irgendeiner Organisation sichert.
Wir haben noch nie gehört, daß das Finanzministerium
Einfluß nimmt auf die Bezahlung der Angestellten der Gemeinden,
der Sparkassen, der Vorschußkassen oder irgendwelcher anderer
Anstalten. Aber gerade in der Krankenversicherung reklamiert das
Finanzministerium dieses Recht. Wie weit der Einfluß der
Regierung und der Bourgeoisie auf die Krankenversicherung gehen
wird, zeigt uns ein Beispiel, das vielleicht nicht ganz glaubwürdig
erscheint, aber doch der Wirklichkeit entspricht. Wir haben im
Vorstande neun Arbeitervertreter. Nach den diversen Bestimmungen
des Gesetzes haben nun das Ministerium für soziale Fürsorge,
das Finanzministerium die Vertreter der Zettelbank, die Vertreter
der Zentralsozialversicherungsanstalt, der politischen Bezirksverwaltungen
und im Rekurswege der Landesverwaltungen und, da nach der Verwaltungsreform
der Bezirkshauptmann von der Verwaltungskommission unabhängig
ist, der Bezirkshauptmann, der Aufsichtsrat und die neu zu schaffenden
Landesstellen der Zentralsozialversicherungsanstalt die Möglichkeit
der Aufsicht und der Einflußnahme auf die Geldgebarung und
auf die Wirtschaft in der Sozialversicherung. Und wenn wir uns
diese Aufsichtsbehörden ansehen, so kommt auf jeden Arbeitervertreter
im Vorstande eine Aufsichtsbehörde, irgendein Organ des staatlichen
Machtapparates. Sie werden nun ermessen können, wie die Versicherung
für die Arbeiter beschaffen sein wird.
Es sprach da insbesondere ein Vertreter der
Koalitionsparteien, ein Gewerbeparteiler, von der Entpolitisierung
der Sozialversicherung. Auf der einen Seite entpolitisiert man,
d. h. man versucht mit aller Macht, den Einfluß der sozialistischen
Parteien in den Krankenkassen zu brechen, auf der anderen Seite
aber haben es die Herren glänzend verstanden, ihren Einfluß
in den Krankenversicherungsanstalten, in der Sozialversicherung,
geltend zu machen. Wie naiv sich die Vertreter der sozialistischen
Parteien zu diesem Beginnen der Koalitionsparteien stellten, zeigen
uns einige Aussprüche der sozialdemokratischen und nationalsozialistischen
Führer. Als es z. B. galt, irgendeine Bestimmung in dem einen
oder anderen Paragraphen zu bekämpfen, da fragte der Abg.
Johanis die Herrschaften: "Hat der Staat ein Interesse
an dieser Fassung des einen oder des anderen Paragraphen?"
Ein anderer erklärte: Da muß ein schlechter Beamter
im Ministerium sitzen, der ein Interesse daran hat, den Apparat
der Sozialversicherung so zu belasten und zu verschlechtern, daß
ein Amtieren beinahe zur Unmöglichkeit wird. Andere wieder
sprachen davon, daß die Administrative eine sehr schwerfällige
sein wird, daß sie sich in vielen Punkten widerspricht und
daß ihre Handhabung unmöglich ist. Und alle im Chor
wollten nicht begreifen, daß in jedes einzelne Wort in den
einzelnen Paragraphen mit ganz bestimmter Absicht der Sinn hineingelegt
wurde, um unter allen Bedingungen und mit allen Mitteln den Einfluß
der Bourgeoisie und der Regierung zu verankern. Jeder Paragraph
ist raffiniert durchdacht, damit man, wenn der eine oder andere
nicht zur Geltung kommt, noch immer die Möglichkeit hat,
seinen Standpunkt durchzusetzen. Wohl gaben die sozialpatriotischen
Führer, als die Vertreter der kommunistischen Partei immer
wieder gegen den Schacher der sozialistischen Führer, gegen
den Pakt, den sie geschlossen haben, ankämpften, eine Antwort,
aber immer nur die eine Antwort: "hlupáci". Mit
dem Worte warf man im sozialpolitischen Ausschuß, aber auch
im Plenum herum. Herr Dr Winter stellt sich als den besten
Fachmann der Sozialversicherung her. Er ist der Schöpfer
dieses großen Standardwerkes, er ist es, der allein entscheiden
kann, was recht oder unrecht ist. Und wenn die Herrschaften noch
so viel mit "hlupáci" und "blbosti"
herumgeworfen haben, so können wir ihnen nur das eine sagen,
daß sie es sind, die die Schuld daran tragen, daß
es den Koalitionsparteien, der Regierung und der Bourgeoisie gelungen
ist, den Apparat der Sozialversicherung an sich zu reißen
und den Einfluß der Arbeiter in den Krankenkassen zu brechen.
Wer war es, der die Arbeiter gegen die Krankenversicherungsanstalten
aufhetzte, wie man uns immer vorwirft? Wer hat es verursacht,
daß die Arbeiterschaft desinteressiert ist an den Krankenversicherungsanstalten,
an der Sozialversicherung? Die Sozialdemokraten waren es, die
seit einem Jahrzehnt keine Wahlen in die Krankenversicherungsanstalten
ausgeschrieben haben. (Sehr richtig!) Sie fürchteten,
daß sie ihre Domänen, ihre politischen Exposituren
verlieren könnten, und deshalb schrieben sie eben die Wahlen
nicht aus. Das ist wie gesagt die Folge, daß die Arbeiter
desinteressiert sind, ja oft mit einem gewissen Haß den
Krankenversicherungsanstalten gegenüberstehen. Wo die "blbci"
und "hlupáci" sitzen, darüber werden die
Arbeiter entscheiden. Wir aber werden ein Schauspiel erleben!
Es ist beinahe so das Schicksal, daß sich in der Geschichte
alles zweimal wiederholt. Im Jahre 1924, als die kommunistische
Partei gegen die Sozialversicherung gestimmt hat, da heulten die
sozialistischen Parteien auf und riefen "Verrat!". Damals
stimmten die kommunistischen Vertreter gegen die Sozialversicherung,
weil diese den Forderungen der Arbeiterschaft nicht entsproch
en hat, gleichzeitig aber auch eine Verschlechterung der Krankenversicherung
bedeutete, eine Verschlechterung, die sich in bedeutendem
Maße gegen die Arbeiterschaft auswirkte. Und heute werden
wir ein Schauspiel erleben: Werden die Sozialdemokraten, die diese
Vorlage als "protidìlnické dílo"
bezeichnen, die die Erfolge zu ihren Gunsten buchen, erklären,
daß sie sie im ganzen und großen
nicht annehmen werden, werden die Herrschaften für diese
Vorlage stimmen oder nicht? Werden sie für die Vorlage stimmen,
dann wird sich das Schauspiel vom Jahr 1924 wiederholen. Stimmen
sie also für die Vorlage, dann sind sie einverstanden damit,
daß man die Sozialversicherung und die Autonomie zertrümmert,
die Sozialversicherung an die Bourgeoisie ausliefert. Und nun
werden die sozialistischen Führer zu entscheiden haben. Dem
Schicksal werden sie nicht entgehen. Es haben schon die Kollegen
Štìtka und Burian
auf die neue Organisation des Apparates hingewiesen, und ich
will nur noch eines hinzufügen, daß das Präsidium
der Zentralsozialversicherungsanstalt gestern beim Minister Šrámek
und beim Obmann des Achterausschusses Bradáè
vorstellig wurde, um gegen die Errichtung
der Landesstellen der Zentralsozialversicherungsanstalt Einwendungen
zu erheben. Aber nicht nur das Präsidium der Zentralsozialversicherungsanstalt
wurde bei der Regierung vorstellig, sondern im Laufe des gestrigen
Tages kamen auch die Vertreter der Industriellen und verlangten
die Novellierung der in diesem Gesetze neugeschaffenen 11. Lohnklasse.
Sie behaupten, daß das eine kolossale Belastung der Industrie
bedeuten würde. Und schon spricht man in den Couloirs davon,
daß die Debatte abgebrochen werden soll und daß man
mittlerweile mit den Gewaltigen dieses Staates, mit den Vertretern
der Schwerindustrie verhandeln will. (Posl. Neurath: Mit den
Herren, mit einem Worte!) So ist es, mit den Herren dieser
Republik. Man hat bei der Besteuerung des Zuckers gesehen und
sieht es bei dieser Vorlage, wie entschieden in diesem Staate
die Vertreter der Zuckerindustrie, die Vertreter der Zuckerbarone,
kurz und gut die Herren entscheiden, wie die Gesetze in diesem
Staate aussehen sollen, ob das Parlament diesen oder jenen Paragraphen
annehmen darf oder nicht. Und so sollen die Verhandlungen heute
unterbrochen und Dienstag erst fortgesetzt werden. Mittlerweile
will man neuerlich die Schacherverhandlungen aufnehmen, ob man
nicht doch vielleicht als Kompensation für die Auflassung
der 11. Lohnklasse in das Gesetz die Überalten hineinnehmen
könnte, wogegen sich die Koalitionsparteien anfangs mit Händen
und Füßen sträubten. Das zeigt uns also deutlich,
wer in diesem Staate die Macht hat, in welchem Interesse die einzelnen
Gesetze liegen. Wer entscheidet über das Schicksal von Tausenden
von Millionen Menschen? Das sind die Vertreter des Kapitalismus,
die Exponenten der privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung.
Die entscheiden über das Wohl und Wehe, über die Gesundheit,
über das Leben von Hunderttausenden von Menschen.
Ich habe schon erwähnt, daß auch
hier der Staat bei der Novellierung der Sozialversicherung sein
Schäfchen ins Trockene bringen, irgendwelche Gewinne aus
der Novellierung sich schaffen wollte, vor allem dadurch, daß
das Finanzministerium und die Zettelbank Einfluß auf die
Verwaltung der Geldwirtschaft der Zentralsozialversicherungsanstalt
nehmen, daß das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem
Ministerium für soziale Fürsorge über Milliarden
von Volksvermögen, über Gelder, die die Arbeiter eingezahlt
haben, entscheiden wird. Das Ministerium für nationale Verteidigung
erspart jährlich seine sieben Millionen Kè,
in dem es die Soldaten in die tiefste Klasse der Versicherung
einreiht. Die Steuerbehörden, der Steuerfiskus, haben ihren
Profit dabei, indem von den Leistungen aus der Sozialversicherung
2% Rentensteuer gezahlt werden müssen,
aber auch das Postärar zieht seinen Profit daraus dadurch,
daß es den Krankenkassen die Möglichkeit genommen hat,
Briefe austragen zu lassen. Es ist ein Unikum, das da geschaffen
wurde und die koalierten Parteien erschrecken selbst vor der Konsequenz
dieser Fassung, wo es heißt, daß die Krankenversicherungsanstalten
nicht das Recht haben, außer durch die Post, irgendwelche
Briefe zuzustellen. Stellen Sie sich einmal vor: Jeder Greisler,
jeder Kaufmann, hat das Recht, durch irgendjemanden einem anderen
eine Nachricht zukommen zu lassen. Die Krankenversicherungsanstalten
dürfen das aber nicht tun, sie müssen die Post benützen.
Das bedeutet, daß auch das Postärar hier sein Sümmchen
verdienen will. Also auf Kosten der Sozialversicherung, auf Kosten
der Kranken und Versicherten wollen alle Institutionen in diesem
Staate soviel aus der Sozialversicherung herauspressen, als sich
nur immer herauspressen läßt. (Posl. Èervinka:
Kolik se dá!) Jawohl.
So sieht die Sozialpolitik im bürgerlichen Staat aus. Anders
in Sowjetrußland; anders sind die Grundsätze der Sozialpolitik
in einem proletarischen Staate. Während man in der Èechoslovakei
darangeht, den Kreis der Versicherten zu durchlöchern,
große Gruppen von Arbeitern aus der Versicherung direkt
oder indirekt herauszunehmen, besteht in Sowjetrußland die
allgemeine Versicherungspflicht aller arbeitenden Menschen. Der
Grundsatz der staatlichen Pflichtversicherung ist dort in Geltung.
Wenn wir die Bilanz des 10jährigen Bestandes Sowjetrußlands
hernehmen, so sehen wir einen gewaltigen Fortschritt, seitdem
die kommunistische Partei das traurige Erbe der Zarenherrschaft
übernommen hat. Es wurde eine mustergültige Sozialversicherung
geschaffen, in der die Arbeiter selbst die Macht in Händen
haben. Die Grundsätze der Sozialpolitik in Sowjetrußland
sind folgende: Einbeziehung aller Arbeitenden. Unterstützung
jeder Art der Arbeitsunfähigkeit und Hilfe bei Bedrohung
der Lebensexistenz, Überwälzung der Lasten der Versicherung
auf die Unternehmungen, Unterstützung durch hohe Arbeitslöhne,
vollständige Selbstverwaltung der Versicherung und Zentralisation
der Versicherung.
Ich sagte schon anfangs, daß es bis auf
einen Punkt gelungen ist, die Resolution Lenins zu verwirklichen
und so sehen wir, daß die Arbeiter aus der Sozialversicherung
zahlreiche Vorteile genießen. Vor allem wird in Sowjetrußland
neben der ärztlichen Hilfeleistung und den Medikamenten auch
eine Natural- und Geldleistung gewährt, die die Höhe
der Beträge in der Èechoslovakei bei weitem überschreitet.
Die manuellen Arbeiter werden den geistigen Arbeitern vorgezogen.
Bei der Schwangerschaft erhalten die geistigen Arbeiterinnen 6
Wochen vor und 6 Wochen nach der Entbindung
den tatsächlichen Lohn ausbezahlt, die körperlichen
Arbeiterinnen bekommen noch um 2 Wochen mehr, d. h. 8 Wochen vor
und 8 Wochen nach der Entbindung die Unterstützung. Bei der
Entbindung selbst wird der geistig Arbeitenden sowie der manuellen
Arbeiterin eine Aussteuer fürs Kind in der Höhe eines
monatlichen Durchschnittslohnes gewährt. Die Stillprämie
wird durch neun Monate gezahlt und beträgt ein Viertel des
monatlichen Durchschnittslohnes. Beim Todesfall werden mindestens
die tatsächlichen Ausgaben oder ein Monatslohn ausgezahlt,
bei Arbeitslosigkeit mindestens ein Sechstel des Durchschnittslohnes
durch sechs Monate. Sie schaffen hier eine Altersgrenze von 65
Jahren. In Sowjetrußland gibt es nur zwei Dinge, das 50.
Lebensjahr und 8 Jahre Arbeit. Wenn der Arbeiter auf fremde Hilfe
angewiesen ist, so wird ihm der ganze Lohn ausgezahlt. Benötigt
er keiner fremden Hilfe, so nur drei Viertel. Wir sehen aber auch,
daß in der Sozialversicherung Sowjetrußlands die Gesundheitsverhältnisse
sich vollständig zu Gunsten der Arbeiterklasse geändert
haben. Dies war nur dadurch möglich, daß das Gesundheitswesen
Sowjetrußlands sozialisiert, das Ärztemonopol zerschlagen,
die pharmazeutische Industrie, das Apothekenwesen nationalisiert
wurde. Sanatorien und Kuranstalten wurden den breiten Massen der
arbeitenden Bevölkerung eröffnet.
Und so finden wir bei einem Überblick
über die Tätigkeit der Bolschewiken in den 10 Jahren
folgende interessante Daten: Das Budget des Kommissariats für
Gesundheitswesen für 1927/28 ist mit 34,999.274 Rubeln dotiert
und ist um 15% höher als im Jahre 1926. Für die Sozialversicherung
und für das Gesundheitswesen gilt in Sowjetrußland
die Parole: der Schutz der Gesunden ist die Sache der Werktätigen
selbst. So kam es, daß die Sterblichkeit bedeutend gesunken
ist. In den Jahren 1911 bis 1913 betrug sie 27.3 auf
1000 Personen, in der Nachkriegszeit steigerte sich diese Ziffer
auf 33.4, im Jahre 1926, also unter der Herrschaft
der Bolschewiki, wo die Arbeiter selbst ihr Schicksal in die Hand
genommen hatten, sank die Sterblichkeit auf 21.5, war
also geringer als in der Vorkriegszeit. Sowjetrußland war
früher bekannt als das Land der Epidemien. Schon Lenin sagte
auf dem 8. Sowjetkongreß: "Entweder die Laus besiegt
den Sozialismus, oder der Sozialismus besiegt die Laus."
Tatsächlich haben die Bolschewiki Gewaltiges im Kampf gegen
die Epidemien geleistet. Im Jahre 1913 kamen auf 10.000 Erkrankungen
7.3, im Jahre 1919/20 nur mehr 4.4, im Jahre 1926 nur mehr 3.7
Erkrankungen an Flecktyphus. Es ist also dem Kommissariat für
Gesundheitswesen und dem von ihm aufgebotenen Apparat gelungen,
diese Epidemie auf die Hälfte der Vorkriegszeit herabzusetzen.
Das war nur möglich durch die gewaltige sanitäre Leistung
des Kommissariats, welches mit Hilfe von Ausstellungen, Vorträgen,
Radio usw. den Epidemien zu Leibe rückte. Die Tuberkulose
grassiert in Sowjetrußland wie in jedem anderen Lande sehr
stark. Da machten nun im Kampfe gegen die Tuberkulose die kommunistische
Partei und ihr Staatsapparat folgendes: Sie wußte ganz gut,
daß der Kranke nicht zu Hause geheilt werden kann, daß
es nur möglich ist, wenn man ihn von dem Gesunden isoliert.
Im Jahre 1921 bestanden 15 Dispensarien und im Jahr 1926 schon
223, anfangs 1927 schon 418 Dispensarien für Tuberkulöse.
Sanitäre Hilfe leisteten 281 Anstalten mit 16.343 Betten.
Außer diesen Anstalten gibt es noch unzählige Tag-
und Nachtstationen, wo die Arbeiter nach der Arbeit Behandlung
und Ruhe, aber auch Diät und Kost finden. Auch gegen die
venerischen Erkrankungen wurde in Rußland sehr stark angekämpft.
Im Jahre 1920 bestanden 200 Dispensarien, venerische Sanitätskolonnen
und Ambulatorien, die die Aufgabe hatten, nicht Anstaltsbedürftige
aufzunehmen, im Jahre 1926 bestanden bereits 713. Alle diese Maßnahmen
müssen sich auswirken. Wir sehen, daß die Kindersterblichkeit
immer tiefer sinkt. In den Jahren 1910 bis 1914 waren auf 100
Lebendgeburten bis zum 1. Lebensjahre 25.6 Todesfälle zu
verzeichnen, im Jahre 1926 nur mehr 19. Für die Mutter- und
Kinderfürsorge wird eben auch sehr viel getan und so wurden
zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit 640 Konsultationsstellen
eingerichtet, im Jahre 1926 wurden bereits 839 Krippen und außerdem
noch Sommerkrippen für die Landwirtschaft eingerichtet. Solche
Sommerkrippen gab es im Jahre 1922 248, im Jahre 1926 bereits
4128.
Sie sehen also die gewaltigen Einrichtungen,
die man in Sowjetrußland, in einem proletarischen Staat,
für die Volksgesundheit trifft, wo man immer wieder aufbaut
und aufbaut und große Erfolge erzielt, während man
in den kapitalistischen Staaten darangeht, die sozialen Einrichtungen
abzubauen, um die Industrie nicht unnötig zu belasten.
Aber die Einrichtungen der Heilanstalten bieten
noch folgende interessante Ziffern: Im Jahre 1913 gab es in den
Heilanstalten 146.381 Betten, im Jahre 1926 gab es aber schon
198.518 Betten. In diese Ziffer sind nicht eingerechnet die Betten
der Krankenkassen des Kriegskommissariates, der Kliniken und der
Bildungsanstalten. Ärztliche Punkte gab es im Jahre 1913
2732, im Jahre 1926 bereits 4251, Betten am Lande im Jahre 1913
46.826, im Jahre 1926 bereits 53.002. Die Kurorte wurden vollständig
der arbeitenden Bevölkerung, insbesondere den Industriearbeitern
und den Landarbeitern geöffnet. So gab es für die Arbeiterschaft
in diesen Kurorten im Jahre 1922 13.721 Betten, im Jahre 1925
bereits 26.400. Die Anzahl hat sich in drei Jahren verdoppelt.
Im zaristischen Rußland gab es diese Einrichtung nicht und
deshalb sind sie doppelt hoch einzuschätzen.
Versicherte der Krankenkassen, die sich in
den Sanatorien und Kurorten im Jahre 1928 nach einem bestimmten
Plan befinden sollen, weisen folgende Ziffern aus: Das Landesversicherungsamt
gab 151/2 Millionen Rubel zur Behandlung
von versicherten Arbeitern in Sanatorien und Kurorten. In den
Erholungsheimen befinden sich im Jahre 1928 289.450 Versicherte.
In den Sanatorien wurden 33.926 versicherte Arbeiter untergebracht.
In den südlichen Kurorten wurden 6287 versicherte Arbeiter
untergebracht. Das sind gewaltige Ziffern. In diesem proletarischen
Lande genießen die Arbeiter die Heilfürsorge, während
sie hier die Bestrebungen der Bourgeoisie sehen, die spärlichen
Einrichtungen noch abzubauen. In der Ukraine allein gibt es nach
dem Aufnahmeplan der Krankenversicherungsanstalten im Jahre 1928
ca. 14.000 Heilstättenkranke, 12.000 ambulatorische Kranke,
in den sogenannten Dispensarien. So leistet die Sozialversicherung
in Sowjetrußland Gewaltiges, deshalb weil die versicherten
Arbeiter selbst darüber entscheiden, wie die Versicherung
aussehen soll. Die ganze Sozialpolitik ist auf das Interesse
der arbeitenden Klasse eingestellt, während in jedem kapitalistischen
Staat und so auch in der Èechoslovakei die Sozialpolitik
nichts anderes ist, als ein politisches Schacherobjekt der jeweils
herrschenden Koalitionsparteien und vor allem
ein Objekt der besitzenden Klassen in diesem Staate. Aber nicht
nur für die Versicherten, für die Arbeiter im allgemeinen
wurde in diesen 10 Jahren in Sowjetrußland Gewaltiges geleistet.
Wir sehen auch die Gesundheitspolitik in der Roten Armee, die
wir besonders hervorheben müssen, weil wir die Vorgänge
im èechoslovakischen Heer sehen, weil wir die steigenden
Selbstmorde in der èechoslovakischen Armee sehen. Wir sehen,
daß hier ungenügende Vorkehrungen getroffen wurden,
daß man aber in Sowjetrußland, im
Lande der Arbeiter und Bauern, den Soldaten ganz anders behandelt.
1918 bestanden nur wenige Bade- und Waschanstalten und Desinfektions,
anlagen in der Armee. Schon 1920 sehen wir, daß die neugeschaffenen
Einrichtungen hunderttausenden von Soldaten dienen können.
1918 wurden von 1000 Soldaten ungefähr 140 gegen Cholera
und Typhus geimpft, 1920 sehen wir bereits, daß die Zahl
auf 870 gestiegen ist, das heißt, daß man vorbeugende
Maßnahmen getroffen hat, um in Rußland den Epidemien
entgegenzutreten. 1918 kamen auf 1000 Soldaten 29 Spitalsbetten,
1920 bereits 82. Es wurden - ich spreche hier nur von der Armee
- ca. 2500 Spitäler neu errichtet, 3000 Sanitätsanstalten,
12.000 Bade- und Waschstellen und ca. 11.000 Desinfektionsstellen.
Seit 1923 kam in der Roten Armee kein einziger Cholerafall vor.
Die Zahl der Darmtyphusfälle ist zehnmal geringer als in
der Vorkriegszeit. Um nur ein kleines Bild vom Gesundheitszustand
in der Roten Armee zu entwerfen, möchte ich folgendes sagen:
1913 starben von 100 Tuberkulösen 19.7, 1926 nur
mehr 3.2, also 1919 beinahe 20%, 1926 nur mehr 3%.
Sie sehen also, wie es der russischen Regierung gelungen ist,
den Gesundheitszustand in der Roten Armee zu heben und zu bessern.
Um das richtige Bild zu bekommen: Wir finden, daß z. B.
in Amerika von 100 Tuberkulösen in der Armee 5.8
sterben, in der polnischen Armee 14.7, in der russischen
Roten Armee nur 3.2. Sie sehen also die gewaltigen
Erfolge, die das proletarische Rußland in seiner Gesundheits-
und Sozialpolitik zu verzeichnen hat.