Ebenso sieht es, wenn ich vom Kapitel "soziale
Fürsorge" abweiche, mit der Regelung der Forderungen
der Altpensionisten aus. Alle Parteien und auch die Regierungsparteiler
sind wohl schon zur Überzeugung gekommen, daß eine
endgültige Regelung der Forderung der Altpensionisten durch
das letzte Gesetz nicht vorgenommen worden ist und daß es
nicht angeht, mit der endgültigen Regelung zu warten, bis
die so arg benachteiligten Altpensionisten ausgestorben sein werden.
Aber trotzdem, nicht nur bei uns die wir in der Opposition stehen
und diese Forderung mit allem Nachdruck vertreten, sondern auch
bei den anderen Parteien, sich die Überzeugung durchgerungen
haben dürfte, daß es notwendig sei, etwas zu tun, haben
wir uns vergebens bemüht, in den Staatsvoranschlag für
diesen Zweck einen Betrag hereinzubekommen.
Im Kapitel "Ministerium für soziale
Fürsorge" wurde auch, wir wollen gerecht sein und das
anerkennen, beim Kapitel Jugendfürsorge ein Mehraufwand von
1 Mill. Kronen eingestellt. Wenn Sie aber in Betracht ziehen,
was auf der andern Seite bei der Jugendfürsorge in der Handhabung
des Gemeindefinanzgesetzes gedrosselt werden wird, werden Sie
mir zugeben, daß es nicht einmal ein Tropfen auf einen heißen
Stein ist, was durch den Mehraufwand von einer Million bei der
Jugendfürsorge gutgemacht werden soll. Schauen Sie sich in
den Voranschlägen der Gemeinden und Bezirke die Streichungen
an und Sie werden feststellen, daß fast bei allen Voranschlägen
der Selbstverwaltungskörper in erster Linie diese Fürsorgeausgaben
gestrichen wurden. Die meisten der Fürsorgeorganisationen,
welche keine laufenden, festen Einnahmen haben, sind auf diese
Unterstützungen angewiesen, und wenn diese eingestellt werden,
sind sie gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Es wäre
die Pflicht des Staates, nach dieser Richtung einzugreifen und
wir müssen feststellen, daß der Voranschlag auch nach
dieser Richtung keine entsprechende Vorsorge trifft.
Gerade vorhin haben wir aus dem Munde des Koll.
Adámek, eines Volksparteilers, eines Patentchristen,
entnehmen können, daß die von der Opposition vorgebrachten
Angriffe ungerechtfertigt seien, daß es nicht so arg sei,
wie es von der Opposition dargestellt wird. Wenn bei den Selbstverwaltungskörpern
Streichungen notwendig seien, so deshalb, weil man ganz willkürliche
Erhöhungen in den Voranschlägen der Selbstverwaltungskörper
vorgenommen habe, um aus dem Dotationsfond Zuweisungen zu erhalten.
Das ist eine Bemäntelung der feindlichen Tat, welche von
den Regierungsparteilern auch nach dieser Richtung hin gesetzt
wurde. (Výkøiky na levici.)
Wenn wir uns also die Tätigkeit der Koalition,
der Regierung, die uns diesen Staatsvoranschlag zur Genehmigung
unterbreitet, etwas näher betrachten, müssen wir auf
dem Gebiete der Sozialpolitik Reaktion, Abbau des bißchen
sozialpolitischer Errungenschaften, das uns die Revolutionszeit
gebracht hat, feststellen, aber nicht nur die Verelendung der
Arbeiterklasse, den Abbau der Sozialpolitik, sondern auch eine
schwere Reaktion auf politischem Gebiete. Wir werden Gelegenheit
haben, in der Spezialdebatte durch unsere Redner nachzuweisen,
wie es mit der Gesetzgebung und mit der Handhabung der aus dem
alten Österreich übernommenen Gesetze aussieht. Ich
will nur ein Beispiel anführen: Ist es nicht eine Schande
für die Machthaber dieses Staates, wenn man anläßlich
Jubiläums des 10jährigen Bestandes dieses Staates feststellen
muß, daß eine ganze Reihe von aus dem alten Österreich
übernommenen Polizeigesetzen in diesem Staate nicht nur noch
Geltung hat, sondern, daß diese Gesetze hier straffer gehandhabt
werden, als es im alten Österreich in den letzten Jahrzehnten
vor dem Umsturz der Fall war. Ich will nicht viel Worte verlieren
und nur auf das Vereins- und Versammlungsgesetz hinweisen, welches
nicht nur noch besteht, wie es aus dem alten Österreich übernommen
wurde, sondern welches bei uns viel härter und strenger gehandhabt
wird, als es im alten Österreich der Fall war. Schauen Sie
sich die Handhabung der Zensur, des Preßstrafgesetzes an,
wir haben gestern wieder ein Beispiel erlebt. Unser Zentralorgan
"Der Sozialdemokrat" wurde gestern wieder einmal konfisziert
und wenn man sich diese konfiszierte Stelle durchliest, so fragt
man sich, ob das in der Republik noch möglich sein sollte
und sagt sich, daß im alten Österreich auch während
der Kriegszeit solche Konfiskationen, wie es die gestrige war,
nicht mehr vorgekommen sind.
Wenn ich schon davon spreche, daß man
nichts verbessert hat, so will ich unter anderem auch feststellen,
daß es bisher nicht gelungen ist, das Gesetz betreffend
die Sonderbehandlung politischer Häftlinge durchzusetzen,
ja im Gegenteil, auch in der Richtung ist es schlechter geworden,
als es selbst im alten Österreich gewesen ist. Es haben Sondervorschriften
für die Behandlung politischer Häftlinge bestanden,
wenn auch nicht im Gesetze selbst, so wenigstens auf Grund einer
vorsintflutlichen kaiserlichen Verordnung, die aber bei uns in
der Èechoslovakei in dem Momente, als das Schutzgesetz
für alle jene Personen, die auf Grund
des Schutzgesetzes verurteilt wurden, eingeführt wurden,
außer Kraft gesetzt wurde.
Wir haben also wirklich keine Veranlassung,
zufrieden zu sein mit der Tätigkeit der Koalitionsparteien,
mit dem Voranschlage, der uns von der Regierungskoalition vorgelegt
wurde, sondern haben alle Ursache, den Anlaß der Beratung
des Staatsvoranschlages dazu zu benützen, dieser Regierung
wieder und wieder unser Mißtrauen auszusprechen.
Zum Schlusse will ich mich noch ganz kurz mit
der formalen Seite beschäftigen. Der Herr Berichterstatter
hat in seinem Bericht schriftlich und auch in seinem Referat hervorgehoben,
wie gründlich dieser Voranschlag durchberaten wurde, daß
man nicht die Redefreiheit eingeschränkt habe, daß
jeder reden konnte, wie lange er wollte. Er hat weiter hervorgehoben,
wie viel Sitzungen einberufen wurden und wie lange die Sitzungen
gedauert haben. Diese Statistik wurde uns in dem Bericht des Budgetausschusses
übermittelt. Der Herr Berichterstatter hat aber selbst zugeben
müssen, daß man in Zukunft dem Budgetausschuß
zur Beratung des Voranschlages doch einen längeren Zeitraum
werde einräumen müssen, und er hat also indirekt zugeben
müssen, daß die Beratung des Budgetausschusses unwürdig
gewesen ist. In dem Berichte wird auch angegeben, daß eine
14stündige Sitzung stattgefunden hat. Es wird aber nicht
festgestellt, daß an dem gleichen Tage vormittag und nachmittag
Sitzungen des Budgetausschusses stattgefunden haben, und daß
daher die Mitglieder des Budgetausschusses, die pünktlich
gekommen sind - was allerdings bei der Mehrheit nicht immer der
Fall war - von 9 Uhr vormittag - die Sitzung war für 8 Uhr
anberaumt - bis nächsten Tag um 4 Uhr früh im Ausschuß
saßen. Es war das die vorletzte Sitzung des Budgetausschusses,
und die nächste Sitzung darauf ist schon wieder für
8 Uhr vormittag einberufen worden. Ich frage Sie, in welchem Staate
das noch möglich wäre, bei Beratung eines solch wichtigen
Gegenstandes, wie es der Staatsvoranschlag ist.
Und nun einige Worte zur Abstimmung. Der Herr
Berichterstatter hat festgestellt, daß auch diesmal wieder
alle Abänderungsanträge mit Ausnahme eines einzigen
betreffend die Abänderung des Finanzgesetzes, um das Jubiläumsgeschenk
herbeizuführen, das vielen allerdings eine Enttäuschung
bringen wird, abgelehnt werden mußten, um den Voranschlag
nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, und daß man andererseits
durch Zuweisung der Resolutionen an die Regierung dieser die Möglichkeit
geboten hat, auf die vorgebrachten Wünche Rücksicht
nehmen zu können. Ich kann da nicht umhin, auch einige Worte
über diesen eigenartigen Vorgang zu verlieren. Der Herr Berichterstatter
und auch verschiedene Vertreter der Mehrheitsparteien haben erklärt,
daß die Beschließung von Resolutionen eigentlich etwas
ganz zweckloses sei, denn es seien von der Mehrheit schon Resolutionen
sogar einstimmig beschlossen worden, die von der Regierung gar
nicht beachtet worden sind. Aus dem Grunde halte man es nicht
für so notwendig, Gewicht auf die Abstimmung über die
Resolutionen zu legen. Es sei auch unangenehm, wenn Resolutionen
abgelehnt werden sollen. Ich begreife schon, daß es den
deutschen und auch manchen èechischen Regierungsparteilern
unangenehm wäre, für manche Resolutionen zu stimmen,
wofür sie von der Osmièka keine Genehmigung erhaltep
hätten. Es wäre ihnen auch unangenehm
gewesen, dagegen zu stimmen. Um dem nun auszuweichen, hat man
im Budgetaussehuß eine ganz nette Taktik eingeschlagen.
Man hat eine Abstimmung über die Resolutionen überhaupt
nicht vorgenommen, sondern einfach beschlossen, all diese eingebrachten
Resolutionen der Regierung zu überweisen. Die Regierung kann
nun mit den Resolutionen machen, was sie will. Ich frage: ist
es nicht einer parlamentarischen Körperschaft unwürdig,
sich des ihr zustehenden Rechtes zu begeben und steht es nicht
mit allen demokratischen Grundsätzen und mit jedem parlamentarischen
Usus im Widerspruch, wenn man es der Regierung überläßt,
nach freier Willkür über die Wünsche der Abgeordneten
und der Parteien zu urteilen und zu handeln? Es ist selbstverständlich,
daß wir uns eine solche Behandlung in Zukunft und insbesondere
im Plenum des Hauses bei den Resolutionen zum Voranschlag unter
keinen Umi ständen mehr gefallen lassen können.
Nun kam der Voranschlag in das Haus. Es kann
auch von einer gründlichen Beratung desselben in der General-
und Spezialdebatte keine Rede sein. Gestern ist mit der Generaldebatte
begonnen worden, die am Montag abgeschlossen werden soll und die
Abstimmung über den ganzen Voranschlag muß am Freitag
beendet sein. In der Spezialdebatte wird für all die Kapitel,
die in einer Gruppe vereinigt sind, für jede Gruppe höchstens
ein Tag übrigbleiben. Ich frage, wo da eine sachliche und
gründliche Durchberatung des Voranschlages möglich ist,
umsoweniger, als man ja die Generaldebatte über den Voranschlag
mit einer anderen Debatte verquickt hat, was den Bestimmungen
der Geschäftsordnung zweifellos widerspricht. Wenn in einem
anderen Lande sich ein so trauriger Vorfall ereignegnet, wie es
das ungeheuerliche Bauunglück war, dessen Zeugen wir hier
in Prag gewesen sind, das gegen 50 Todesopfer erfordert hat, so
wird man in dem Parlament des betreffenden Landes eine Trauersitzung
veranstalten oder es wird wenigstens der Präsident des Hauses
in der ersten Sitzung des Plenums ex praesidio einige Worte der
Trauer und des Beileides sagen. Man wird ferner bei einem solchen
Anlaß Stellung nehmen zu dem, was sich ereignet hat, allerdings
in einer anderen Form, als das bei uns der Fall gewesen ist. Es
genügt nicht, daß uns vom Herrn Minister für öffentliche
Arbeiten erklärt wurde, was von der Regierung vorgekehrt
wird oder vorzukehren beabsichtigt ist, um solche Fälle in
Hinkunft hintanzuhalten. Es wäre Pflicht des Vorsitzenden
der Regierung, der zugleich Minister für soziale Fürsorge
ist, gewesen, aus einem solchen Anlaß aufzustehen und zu
erklären, welchen Aufwand die Regierung vornehmen will, um
eine entsprechende Unterstützung der Angehörigen der
Opfer dieser Katastrophe zu sichern. Statt das zu tun, was der
Anstand erfordern würde, erklärt uns heute einer der
Vertreter der Regierungsparteien, daß die Regierungsparteien
alles notwendige vorgekehrt haben. Sie haben sich darauf beschränkt,
im Budgetausschuß und im sozialpolitischen Ausschuß
eine Resolutionsantrag zu beschließen. Statt hier in öffentlicher
Sitzung schon zu erklären, daß die Regierung die Absicht
hat, den im sozialpolitischen und im Budgetausschuß aufgestellten
Forderungen Rechnung zu tragen, und statt daß man den Gegenstand
abgeschlossen hätte, so wie es die §§ 64 und 65
der Geschäftsordnung vorschreiben, hat man die Behandlung
des Bauunglücks mit der Behandlung des Staatsvoranschlages
verquickt. Wir können nicht umhin, gegen diese Vorgangsweise,
welche die Mehrheitsparteien in der Osmièka zu beschließen
beliebt haben, auf das Entschiedenste zu protestieren. (Souhlas
a potlesk èsl. a nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Vor wenigen Tagen hat es in den Straßen
Prags die erste große Jubiläumskundgebung gegeben.
Hunderte von Arbeitern waren auf der Straße, nicht nur um
ihren durch die Rationalisierung gemordeten Kameraden das letzte
Geleite zu geben, sondern auch um gegen das ganze kapitalistische
System, gegen die mörderische Rationalisierung, gegen die
arbeiterfeindliche Politik der Regierung, gegen die Kriegsgefahr
zu protestieren und für einen gemeinsamen Kampf aller Arbeitenden
zu manifestieren. Die leidenschaftliche Demonstration der Prager
Arbeiter ist nur ein Symptom, nur ein Zeichen der wachsenden Erbitterung
und des steigenden Kampfwillens unter den Arbeitern. In allen
Teilen der Republik gärt es, die Kladnoer Bergarbeiter stehen
im Kampfe, -über 40.000 Bergarbeiter von Ostrau verlangen,
auch wenn ihre reformistischen Führer das mit allen Mitteln
verhindern wollen, den Anschluß an den Kampf, die Proklamierung
des Generalstreiks aller Bergarbeiter des Landes. Eine mächtige
Welle von Lohnbewegungen zieht über das Land. Bei den Metallarbeitern,
den Landarbeitern, bei den Keramarbeitern, Textilarbeitern, bei
den betrogenen Eisenbahn- und Staatsbediensteten gärt es.
Der Kampf gegen die räuberische Politik der Regierung auf
allen Gebieten verschärft sieh von Tag zu Tag. In einer solchen
Situation wird diesmal die parlamentarische Komödie der Budgetberatung
durchgeführt. Das vorliegende Budget, welches offenbar ein
Jubiläumsbudget sein soll und bereits eingeleitet und einbegleitet
wurde durch Jubiläumsreden, unterscheidet sich von all den
früheren Budgets nur dadurch, daß der Geist der Feindschaft
gegen die Arbeiter darin noch brutaler zum Ausdruck kommt als
früher. Es ist selbstverständlich, daß wir dieses
Budget ablehnen, daß es für uns keinen Sinn hat, überhaupt
nur von einem Vertrauen für die Regierung, die es vorlegt,
zu sprechen, daß es dieser Regierung gegenüber für
uns nur eines gibt, die Ansage des schärfsten Kampfes mit
allen zweckdienlichen Mitteln. Aber unsere Ablehnung des Budgets,
das muß gerade in diesem Jahre, in diesen Tagen mit besonderer
Schärfe hervorgehoben werden, hat noch eine andere Bedeutung.
Auch andere Parteien werden das Budget ablehnen und erklären,
daß sie zur Regierung kein Vertrauen haben. Aber ganz abgesehen
davon, daß bei diesen Parteien nicht einmal die Feindschaft
gegen diese Regierung ernst gemeint ist, daß sie in Wirklichkeit
die Politik dieser Regierung unterstützen, hat diese Ablehnung
des Budgets durch uns eine ganz andere Bedeutung. Wir sind die
einzige Partei, welche durch diese Ablehnung nicht nur das Mißtrauen
und den Kampf gegen die Regierung zum Ausdruck bringt, sondern
die grundsätzliche unversöhnliche Feindschaft gegen
den kapitalistischen Staat (Další èást
øeèi byla usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 19. øíjna 1928 podle
§u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena
z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 75 této
tìsnopisecké zprávy.)
Die Feierlichkeiten anläßlich
des Jubiläumsjahres haben den Zweck, die arbeitenden Massen
über diesen wahren Charakter des Staates, der sich in diesen
10 Jahren durch die räuberische Politik der herrschenden
Bourgeoisie immer klarer enthüllt hat, hinwegzutäuschen,
sie haben den Zweck, die Illusionen, welche die Massen in der
Zeit des Zusammenbruches und des sog. Umsturzes erfüllten
und welche die Massen vor der Ausnützung ihrer revolutionären
Situation abgehalten hat, wieder zu beleben und alle Arbeitenden
in einem Festrausch und unter dem Eindruck heuchlerischer Phrasen
vergessen zu lassen, was sie in diesen 10 Jahren erduldet haben
und welcher Gegensatz besteht zwischen dem, was man ihnen versprochen
hat und zwischen dem, was die Wirklichkeit geboten hat. Bei diesem
Betrug der herrschenden Bourgeoisie hilft ihr die Bourgeoisie
der unterdrückten Nationen. Die wertvollste Hilfe bei diesem
Jubiläumsbetrug leisten die Kapitalisten, die reformistischen
Führer. Unter der Maske der Scheinopposition gegen die Regierung
und gegen ihre jetzige Politik arbeiten sie nur um so raffinierter
und wirksamer daran, den kapitalistischen Ausbeuterstaat vor den
Massen als eine demokratische Volksrepublik hinzustellen, in welcher
nur ein etwas besserer Gebrauch des Stimmzettels notwendig ist,
in welcher nur eine andere Zusammensetzung der Regierung notwendig
ist, um eine Politik für die Arbeitenden und sogar den Sozialismus
herbeizuführen. Vor allem wollen die reformistischen Führer
und werden sie versuchen, mit allen Mitteln zu verhindern, daß
die Arbeiter aus den Erfahrungen dieser zehn Jahre lernen, daß
sie in der Zeit des Umsturzes einen falschen Weg gegangen sind,
als sie von der bürgerlichen Scheindemokratie eine bessere
Zukunft erhofften, und als sie nicht erfolgte, dem Beispiel Ruß
lands folgen, wo die Arbeiter und Bauern die proletarische Revolution
zum Siege führten.
Wir Kommunisten werden alles, was in unserer
Macht steht, daran setzen, um diesen gemeinsamen Betrug der Bourgeoisie
und der reformistischen Führer aller Nationen zu durchkreuzen.
Dabei kommt uns die Bourgeoisie durch die unerhörte Verschärfung
ihrer Offensive auf allen Gebieten gerade in diesem Jubeljahre
sehr zu Hilfe. Wie sieht es hier nach 10 Jahren sogenannter demokratischer
Volksfreiheit aus? Die zerfetzten Leichen der proletarischen Opfer
mörderischer Rationalisierung, welche hier in Prag zu Grabe
getragen wurden, die verstümmelten Toten und die Verwundeten
der Eisenbahnkatastrophe von Saitz, die schändlich miß
handelten Opfer des weißen Terrors, die mit rumänischen
Methoden blutig gegeißelten Arbeiter, Arbeiterfrauen und
sogar Arbeiterkinder von Boronow, die unerhörte Polizeibrutalität
gegen streikende Bergarbeiter und Arbeiterinnen in Rozdìlov,
die unerhörte Säbelattacke auf demonstrierende
Arbeiter sogar während des Begräbnisses der Opfer der
kapitalistischen Rationalisierung geben ein anschauliches Bild
davon, wie herrlich weit wir es mit dieser viel gepriesenen bürgerlichen
Demokratie gebracht haben, welche nur den wahren Charakter dieses
Staates, die brutale Ausbeuterdiktatur der Kapitalisten verhüllt.
Der kapitalistische Staat war immer nur ein Machtinstrument der
herrschenden Ausbeuterklasse. Aber heute, wo sich diese Ausbeuter
in großen Kartellen und Trusts monopolistische Wirtschaftsorganisationen
schaffen, welche das ganze Wirtschaftsleben beherrschen, heute
hat er auch den bloßen Schein einer selbständigen Organisation
zur Wahrung der sogenannten Interessen der Allgemeinheit verloren,
heute muß auch der Blindeste sehen, daß dieser Staat
und seine Regierung nur Werkzeuge sind in der Hand des alles beherrschenden
monopolistischen Finanzkapitals, welches mit dem Machtapparat
des Staates immer mehr verwächst. Vor wenigen Wochen haben
wir geradezu an einem Schulbeispiel gesehen, wie provozierend
offen bereits diese Kartelle ihre Herrschaft ausüben: Das
Zuckerkartell hat diktiert und die Regierung hat nicht nur den
Zucker um 30 Heller verteuert, sondern auch den Zuckerbaronen
und Großagrariern noch weitere hunderte Millionen an Steuergeldern
in den Rachen geworfen. Als die Verschlechterung der Sozialversicherung
im Parlamente bereits beschlossen war, hat der Industriellenverband
befohlen, daß noch eine weitere Verschlechterung vorgenommen
wird, und dieser Befehl wurde unverzüglich durchgeführt.
Diese den Staat beherrschenden Kartelle und
Monopole kämpfen gegen dieselben Organisationen in den anderen
Ländern den schärfsten Kampf um den ausländischen
Absatzmarkt. Die Kosten dieses Kampfes haben, wie im Kriege, die
Arbeiter zu tragen. Um nach Außen hin besser konkurrieren
zu können, werden die Preise im Inlande hoch, die Arbeitslöhne
niedrig gehalten. Die Arbeitsintensität wird aufs Äußerste
gesteigert, die Massen der armen und kleinen Bauern werden ausgewuchert,
die Steuern der Unternehmer, der Bankherren und der Großgrundbesitzer
werden um gewaltige Summen herabgesetzt, die Steuern der Arbeiter,
der Kleingewerbetreibenden und Bauern und vor allem die indirekten
Steuern zu einer unerträglichen Höhe emporgeschraubt.
Das ist die Antwort auf die Frage, wer schuld ist an der Teuerung,
an dem Mord der Bauarbeiter, an der Eisenbahnkatastrophe, an der
unerträglichen Lage der Arbeiter und Bauern. Staat und Regierung
als Werkzeuge des Finanzkapitals, zu welchem sich das Industriekapital,
das Bankkapital und das Agrarkapital verschmolzen haben, als Werkzeuge
der kapitalistischen Monopole, Kartelle und Trusts, schützen
und ergänzen die Ausplünderung der Arbeiter und Bauern
auf allen Gebieten. In den Betrieben geschieht das in der Form
einer im wahrsten Sinne des Wortes mörderischen Rationalisierung,
bei welcher die technische Verbesserung der Betriebe, von der
ohnedies die Arbeiter nur schädliche Folgen haben und von
der nur die Kapitalisten den Profit haben, eine weit geringere
Rolle spielt als die direkte Steigerun der Ausbeutung der Arbeiter
durch Anpeitschung zur erhöhten Arbeitsleistung, Verlängerung
der Arbeitszeit, direkten und indirekten Lohndruck, der sich zum
ausgesprochenen Lohnbetrug steigert, die Gefährdung der Gesundheit
und des Lebens der Arbeiter, wofür gerade die letzten Tage
bei uns ein anschauliches Beispiel gegeben haben. Auf der anderen
Seite ermöglicht die Regierung durch Zollpolitik den Preiswucher
der Kartelle und Großagrarier und fördert die Teuerung
und damit den indirekten Lohndruck geradezu systematisch, vor
allem durch die wahnsinnige Steigerung der indirekten Steuern.
Wenn man nur das rechnet, was von der Regierung selbst als indirekte
Steuer angegeben wird, wobei die Millionen an Monopolen, Wuchertarifen,
Wohnungsbesteuerung usw. nicht mitgerechnet sind, so sind in de
10 Jahren demokratischer Republik diese von der Reigerung selbst
als solche bezeichneten indirekten Steuern von 852 Mill. auf 5
Milliarden oder von 53% aller Steuereinnahmen auf 75% gestiegen.
Durch die Finanzreform wurden die Gemeinden gezwungen, den Kapitalisten
und Großgrundbesitzern Hunderte von Millionen weiter zu
schenken und durch - die Steigerung der indirekten Abgaben an
der allgemeinen Verteuerung mitzuwirken, die dringendsten sozialen
Ausgaben zu drosseln, und trotzdem sind sie heute infolge dieser
Reform dem vollständigen Bankerott ausgeliefert. Heute geht
die Herrschaft der Kartelle bereits so weit, daß die Regierung
durch die indirekten Steuern die wichtigsten Bedarfsartikel verteuert
und dann, ohne diese Verteuerung rückgängig zu machen,
die Steuer aufhebt, also in Wirklichkeit die indirekten Steuern
beibehält, aber nicht mehr an den Staat zahlen läßt,
sondern direkt an die Kartelle. Dazu kommen die systematischen
gesetzlichen Erhöhungen des Mietzinses bei gleichzeitiger
Erweiterung des Rechtes der Hausherren, arme Mieter aufs Pflaster
zu werfen und reiche Mieter hineinzunehmen, die Millionen, die
man durch die nahezu vollständige Abschaffung der Unterstützung
den Ärmsten geraubt hat zugunsten der Reichsten und
die geplante Verteuerung des Fleisches durch die Viehzölle,
weiter die geplante Verteuerung durch die Tariferhöhung und
Einführung einer ganzen Reihe neuer indirekter Steuern. Das
geschieht in einer Zeit, wo die Löhne in der Èechoslovakei
zu den niedrigsten Löhnen von allen
kapitalistischen Ländern gehören und wo hier Wochenlöhne
von 140, 100, 70 und 60 Kè keine Seltenheit sind, sondern
sehr weite Verbreitung haben. Unter dieser Teuerung und unter
dieser Politik der Regierung, unter dem Wucher der Banken,
unter der Konkurrenz der Großgrundbesitzer, unter der Beherrschung
der Wirtschaftsorganisationen durch die Großagrarier und
das Finanzkapital leiden auch in unerträglichster Weise die
armen und kleinen Bauern, welche durch die Boden reform in so
schmählicher Weise betrogen wurden und deren Not als Ausrede
mißbraucht wird, um durch Agrar- und Viehzölle die
Großgrundbesitzer zu bereichern. Von dem Ertrage schwerster
Arbeit bleibt ihnen kaum das Notwendigste, um den Hunger zu stillen,
während ihnen alles übrige durch die raffiniertesten
Methoden von der Ausbeuterklasse entweder direkt oder mit Hilfe
des Staates geraubt wird. Die letzte Steuerreform hat dieses Unrecht
ins Maßlose verschärft, indem sie ungeheure Summen
den herrschenden Klassen auf Kosten der Arbeitenden in Stadt und
Land schenkt.
Die Bourgeoisie dieses Staates ist ausgerechnet
im Jubiläumsjahre dazu übergegangen, sogar die Sozialversicherung
zu verschlechtern. Diese Sozialversicherung war von allem Anfang
an nur ein Betrug an den Arbeitenden, der in ihnen die Illusion
erzeugen sollte, als ob die Republik auch an die Arbeiter denke.
In Wirklichkeit war sie mit einer verhängnisvollen Verschlechterung
der Krankenversicherung verbunden und in jeder Hinsicht nur ein
Hohn auf den Gedanken einer wirklichen Sozialversicherung. Nun
wird sogar dieses Machwerk noch weiter verschlechtert durch Ausschaltung
der Jugendlichen und zahlreicher anderer Arbeiter, durch noch
stärkere Auslieferung der Verwaltung an die Unternehmer und
den kapitalistischen Staat, durch Herabsetzung der Leistungen
und durch die Bedrohung der Krankenkassen mit vollständiger
Vernichtung. Die eingezahlten Gelder der Arbeiter werden als billige
Kredite den Kapitalisten zur Verfügung gestellt, die ohnedies
unter allen möglichen Titeln, wie z. B. Ausfuhrförderung
und dergl. aus Steuergeldern direkt gefüttert werden. Dabei
haben die Reformisten ein Meisterwerk des Betruges an den Arbeitern
geliefert, indem sie den Arbeitern einzureden versuchten, daß
das nur unwesentliche und annehmbare Verschlechterungen seien,
daß sie wesentliche Verschlechterungen zu verhindern wußten,
und daß die Arbeiter zufrieden sein können. Unter den
schönen Versprechungen, die die Gründung dieses Staates
begleiteten, war auch das Versprechen voller nationaler Gleichberechtigung.
Heute rühmt sieh die èechische Bourgeoisie, daß
sie Vertreter der Minderheitsnationen in der Regierung habe und
daß das ein Zeichen dafür sei, daß sie ihre Versprechungen
erfüllt hat. Ich will nicht von solchen Kleinigkeiten reden,
wie z. B. daß die deutschen Minister
in diesem Parlament ihre Muttersprache nicht benützen dürfen,
daß die slovakischen Minister nicht einmal erklären
dürfen, daß es eine slovakische Nation gibt. Es ist
eine unbestreitbare Tatsache, daß gerade in der Zeit, wo
die bürgerlichen Vertreter dieser Minderheitsnationen in
der Regierung sitzen, unter ihrer Mitwirkung, unter ihrer Mitverantwortung
die nationale Unterdrückung noch gesteigert wurde, vor allem
durch die Verwaltungsreform, durch die Behandlung der Staatsbeamten,
durch die Praxis des Sprachenrechtes, durch die Schulpraxis u.
s. w. Die Bourgeoisie der unterdrückten Minderheiten hat
genau so wie die der herrschenden Nationen bewiesen, daß
ihnen die kapitalistischen Interessen wichtiger sind als die nationalen,
von deren Heiligkeit sie heuchlerische Phrasen drischt. Die deutschen,
slovakischen und magyarischen Arbeiter, Bauern, Gewerbetreibenden
und Angestellten werden national verraten, damit auf ihre Kosten
sich die kapitalistischen Volksgenossen wirtschaftlich umsomehr
bereichern und sie noch mehr ausplündern können. Nationen,
die nicht darüber entscheiden können, welches ihr Schicksal
sein soll, die mit Gewalt, mit Waffengewalt, in einem Staate festgehalten
werden, ohne daß man sie fragt, ob sie wollen, sind versklavte
Nationen und die bürgerlichen Mitglieder dieser Nationen,
die mitmachen und mitverantwortlich sind, begehen den niedrigsten
und feigsten Verrat an ihrem eigenen Volke. Genau so machen das
die sozialistischen Führer aller dieser Nationen. Die èechischen
reformistischen Führer erklären es
für etwas Selbstverständliches und Gerechtes, daß
die anderen Nationen vergewaltigt werden und nicht über ihr
Schicksal bestimmen dürfen und die deutschen Sozialdemokraten
wagen nicht, das volle Recht der Freiheit, die Selbstbestimmung
bis zur äußersten Konsequenz, nicht einmal für
die eigene Nation, zu verlangen. Die einzigen, die in diesem Hause
und draußen von Seite des herrschenden Volkes im Kampfe
für dieses Recht stehen, das sind die Kommunisten. Und das,
was die èechischen Kommunisten tun,
wagen nicht einmal die deutschen bürgerlichen Parteien und
die Sozialdemokraten.