Das führt mich kurz auf das Durchführungsgesetz.
Das Durchführungsgesetz ist nur eine Nebensache, eine Folge
des ganzen Staatsvertrages. Da der Staatsvertrag unter solchen
Verhältnissen für uns unannehmbar ist, somit auch jene
ganz kurze Formel, mit der er eigentlich nur vom Parlament als
Vorlage genehmigt werden soll, ist ganz klar, daß auch das
ganze Durchführungsgesetz fallen muß. Trotzdem
wäre auch dazu etwas zu sagen. Die Geldanstalten, die nunmehr
an den èechoslovakischen Clearing eine Krone bezahlen müssen,
sind bei Gott keine reichen, sondern es sind notleidende Geldanstalten,
Geldanstalten, die nicht erst seit gestern und
vorgestern notleidend sind, sondern schon seit dem Umsturz, weil
sie eben durch die Folgen, die mit der Einlösung der Kriegsanleihe
zusammenhängen, notleidend geworden sind. Diese Tatsachen
sind nicht neu und sind auch nicht unbekannt. Sie waren auch der
Regierung nicht unbekannt, auch nicht dem Finanzministerium, denn
sonst hätte ja das Finanzministerium nicht die verschiedenen
Moratorien bewilligen können, die es bewilligt hat. Das Finanzministerium
und seine Unterhändler haben genau wissen müssen, daß
diejenigen Geldanstalten, die da zu bezahlen haben, mehr als andere
Private und die anderen Anstalten infolge ihrer Notlage notleidende
Institute sind und diesen gesetzlichen Verpflichtungen gar nicht
nachkommen können, die man ihnen zumutet und die sie höchstens
mit einer Ausdehnung des Moratoriums beantworten können.
Es fragt sich nun: Hat man darauf vergessen oder was ist bei der
Geschichte überhaupt der Grund gewesen? Aber nicht nur das.
In dem Durchführungsgesetz gibt man allen Anstalten, also
auch diesen den Auftrag, noch einmal diese Forderungen anzumelden,
widrigenfalls sie bestraft werden. Diese Art der öfteren
Konskription ist bei uns nicht nur ein Usus, sondern ein Abusus.
Das Finanzministerium kennt jede Zahl ganz genau, ist vollkommen
orientiert über alle Verhältnisse. Es wird bei Gott
nichts Neues herauskommen. Nichtsdestoweniger sieht das Durchführungsgesetz
eine neue Konskription vor und droht mit Strafen bis zu
50.000 Kè und noch dazu droht es, daß diejenigen
Anstalten, die nicht noch einmal ordentlich konskribieren, noch
eine weitere halbe Krone der Živno- und Sporobanka zu zahlen
haben. Das sind Grundsätze, die in diesem
Durchführungsgesetz zur Vorschrift erhoben werden sollen
und denen wir nicht zustimmen können. Ich sehe auch gar nicht
ein, warum auf einmal der verwaltungsrechtliche Instanzenzug unmöglich
sein soll. Wenn sich eine Geldanstalt durch eine Verfügung
des Clearingamtes beschwert fühlt, so ist eine Klage vorgeschrieben,
die sie einreichen soll. Und da wird behauptet, das geschieht,
um das ganze Verfahren abzukürzen. Ich weiß nicht,
was kürze, ist, die Erledigung einer Beschwerde oder die
Erledigung einer Klage. Aber schließlich und endlich sind
das ja Schönheiten, über die man diskutieren kann. Für
uns ist das Durchführungsgesetz ebenso unannehmbar, wie die
Vorlage 1 überhaupt.
Über die Art und Weise der parlamentarischen
Behandlung habe ich schon gesprochen, muß aber dabei
noch auf Folgendes zurückkommen. Wenn die èechischen
Mehrheitsparteien sich diese Vorlage selbst bewilligen würden,
wenn sie auf diese Weise ihre eigenen èechischen Interessen
schützen würden, so könnte man ja von deutscher
Seite gewiß auch viel dagegen haben,
aber schließlich wäre das ja nur wieder ein Schritt
weiter auf jenem bereits langen Wege, den wir seit 1918 gehen.
Aber dieses Gesetz und dieser Staatsvertrag, die sich gegen deutsche
Volksgeldanstalten Nordböhmens wenden und der Živno-
und Sporobanka ganz ungerechtfertigte Vorteile auf Kosten der
deutschen Volksgeldanstalten verschaffen, werden genehmigt werden
und sind in den Ausschüssen bereits genehmigt worden mit
Hilfe der deutschen Regierungsparteien. Und das ist doch
etwas, worüber einigermaßen nachzudenken und zu sprechen
wäre. Ich stelle von hier aus fest, daß, wenn wir,
unsere Partei, im Senat nicht rechtzeitig Lärm geschlagen
und nicht auf die verschiedenen Ungereimtheiten und Unerträglichkeiten
dieser Vorlage aufmerksam gemacht hätten, niemand gewußt
hätte, was drin steht. Nur unserem Auftreten ist es zu verdanken,
daß überhaupt eine Debatte abgeführt wird und
daß sich auch die Presse mit der Sache beschäftigt
hat. (Posl. dr Koberg: Der Erfolg ist eine Resolution!) Allerdings.
Diese Beschäftigung mit der Sache in der Presse ist allerdings
manchmal in einer Form erfolgt, die nicht unwidersprochen bleiben
darf. Ich kann nicht die Ansicht verhehlen, daß der Herr
Senator Graf Ledebur übel beraten war, als er dem
Mann von der "Deutschen Presse" in der vergangenen Woche
über diese Sache ein Interwiev bewilligte, in dem so manches
verdreht ist - das kann man ruhig sagen - oder zumindest in dem
Sinne dargelegt ist, wie es eben die "Deutsche Presse"
und die èechischen Regierungsparteien gerne sehen.
Ich hätte das vom Grafen Ledebur
am allerwenigsten erwartet, der doch sonst immer in den Reihen
derjenigen zu finden war, die für nationale Interessen ziemlich
viel übrig hatten, und hätte eher erwartet, daß
er sich unserem Kampfe, unserer Seite in dieser Beziehung
zugesellt. Er hat es aber für notwendig befunden, festzustellen,
daß der Pfandbriefdienst geschädigt würde und
daß der Kurs der Pfandbriefe sinken würde, wenn man
der Živnobanka diese eine Krone nicht
gäbe. Er hat erklärt, es geschehe Niemandem Unrecht,
es sei kein damnum emergens, sondern höchstens ein lucrum
cessans, das den deutschen Volksgeldanstalten entgeht. Kurz und
gut, auch er sieht in dieser Art von Regelung nichts als Gleichheit
und Gerechtigkeit.
Nun, sei dem, wie wolle, wir wissen und kennen
die Sache anders und schließlich und endlich ist es unserem
Bemühen und Einfluß auf die deutschen Regierungsparteien
doch zu danken gewesen, daß einmal der Senat eine Resolution
beschlossen hat, die ja auch dem offiziellen Bericht angeschlosse
ist und daß weiters der verfassungsrechtliche Ausschuß
des Abgeordnetenhauses eine zweite Resolution beschlossen hat,
die noch etwas präziser ist, als die des Senates. Wir anerkennen
diese Tatsache, wir anerkennen auch die weitere Tatsache, daß
es angeblich bereits zwischen den deutschen Geldanstalten einerseits
und dem Finanzministerium andererseits zu einer privaten Vereinbarung
gekommen ist, auf Grund welcher diese Volksgeldanstalten, das
wieder zurückersetzt bekommen, was sie durch dieses
Gesetz der Živnobank und der Sporobank durch das Clearingamt
bezahlen müssen. Wir haben nichts dagegen, daß die
Ungerechtigkeit, die wir hier festnageln, auf andere Weise wieder
ausgeglichen wird, dann aber erlauben wir uns doch
die Anfrage: Wozu der Lärm? Da beschließt man des langen
und des breiten ein Gesetz, um hinten herum dieses Gesetz wieder
zu umgehen. Wie gesagt, ich habe nichts dagegen und ich bin der
letzte, der vielleicht dadurch, daß er auf diesen Umstand
aufmerksam macht, den hohen Sinn des Finanzministeriums verärgern
wollte, daß es am Ende nicht mehr so gnädig den armen
Volksgeldinstituten gegenüberstünde und die angeblich
vorige Woche gegebene Zusage hinterrücks wieder zurücknehmen
würde. Ich weiß ja, wie mimosenhaft feinfühlig
unsere Herren Finanzminister sind und wie leicht ihnen eine Zurücknahme
gegebener Versprechungen wird. Eine solche Zurücknahme fällt
ihnen viel leichter als die Erfüllung und ich will um Gottes
Willen durch meine lästerlichen Reden nicht am Ende die Ursache
für eine solche Katastrophe sein. Aber ich möchte mir
doch gestatten, hier festzustellen, daß es auf diese Weise
ganz überflüssig ist, ein derartiges Gesetz zu machen,
wenn man von vornherein selbst zugestehen muß, auf unoffizielle
Weise zugesteht, daß es schlecht ist.
Infolgedessen werden wir gegen dieses Gesetz
stimmen. Man wird ja sehen, wie es sich auswirkt. Wir nehmen uns
fest vor, für den Fall, daß das Finanzministerium die
Zusage nicht geben sollte, die Sache als eine eklatante Verletzung
des Minderheitenrechtes vor das Haager Schiedsgericht zu bringen.
(Potlesk poslancù nìm. strany národní.)
Wir benützen die letzten Sitzungen des Hauses, um zwei Fälle
der Klassenjustiz zur Sprache zu bringen, die selbst in der Geschichte
der èechoslovakischen Klassenjustiz
nicht viele Beispiele wird aufzuweisen haben. Da ist zunächst
ein Fall, der sich auf unseren Genossen, den Abg. Dìdiè,
bezieht. Im Jahre 1926 ist in Pilsen eine antifaszistische Demonstration
abgehalten worden, veranstaltet von den èechischen Sozialdemokraten
und von Legionären. Die Demonstration war ziemlich groß.
Es beteiligten sich an ihr nicht wenige Arbeiter, darunter selbstverständlich
auch Kommunisten und unter diesen der Abg. Dìdiè.
Die èechoslovakische Polizei, die eine ihrer Hauptaufgaben
darin erblickt, bei antifaszistischen Demonstrationen die Faszisten
vor den Demonstranten zu schützen, hat wie immer auch damals
die Gelegenheit benützt, um gleichsam künstliche Zusammenstöße
hervorzurufen. Das ist ihr während der ganzen Demonstration,
trotz aller eifrigen Bemühungen, nicht gelungen. Aber am
Ende der Demonstration, als sich die Teilnehmer bereits anschickten,
den Heimweg anzutreten, kam es doch zu Zusammenstößen
und es war Abg. Dìdiè,
der den Versuch machte, vermittelnd einzugreifen. Die Folge davon
war, daß er von den Polizisten verprügelt worden ist.
Er begab sieh dann auf die Polizeidirektion und brachte dort den
Fall, den Tatsachen entsprechend, der Behörde zur Kenntnis.
Wer nun glaubt, daß die Folge des Schrittes darin bestanden
hätte, daß die Behörde den Versuch unternommen
hat, die Polizisten zu stellen, die sich diese Übergriffe
zu Schulden kommen ließen, der irrt selbstverständlich,
denn einige Tage später sind die Polizisten, die den Abg.
Dìdiè geprügelt
hatten, auf die Polizeidirektion gekommen, haben ihrerseits, den
Spieß umdrehend, die Anzeige gegen den Abg. Dìdiè
erstattet, mit der Angabe, daß nicht sie, wie es den Tatsachen
entsprach, den Abgeordneten geprügelt haben, sondern der
eine Abgeordnete habe die Polizei geprügelt. (Výkøiky.)
Daraus ergab sich nun eine Anklage und
im September 1928 fand die Verhandlung statt. Tatsache ist, daß
Abg. Dìdiè zu 4
Monaten schweren Kerker verurteilt wurde und daß außerdem
das Gericht den Verlust des Wahlrechtes aussprach. Man könnte
glauben, solche Dinge seien nur aus den lokalen Verhältnissen
zu erklären, aus Verhältnissen, die auf dem Grundsatz
beruhen: eine Hand wäscht die andere. Es wurde Berufung eingelegt.
Jeder, der die Dinge damals verfolgt hat, war dessen sicher, daß
das Oberste Gericht nicht daran denken werde, ein solches Schandurteil
zu bestätigen. Das Brünner Gericht hat sich nun am 10.
Mai 1929 mit der Berufung beschäftigt und nun nicht etwa
das Urteil, wie jeder erwarten mußte, aufgehoben, sondern
das Strafausmaß von 4 Monaten schweren Kerkers noch auf
6 Monate schweren Kerkers erhöht und das Urteil der ersten
Instanz, bezüglich der Aberkennung des Wahlrechtes, bestätigt.
Ich glaube, daß man bei der ruhigsten Beurteilung dieses
Falles sagen muß, daß gleichsam aus jeder Silbe der
Urteilsbegründung die Tücke des Klassenrichters hervorleuchtet,
der es sich zur Aufgabe gemacht hat, zu zeigen, daß er darum
Richter ist, um dort, wo es geht, der Arbeiterklasse zu beweisen,
daß die Justiz nur die Dirne der Kapitalistenklasse, die
Dirne der Bourgeoisie ist.
Das ist der eine Fall. Der zweite Fall, den
ich so schildern werde, wie er wirklich ist, wird von niemandem
geglaubt werden, solange ihm die aktenmäßigen Belege
nicht zugänglich sein werden. Es handelt sich um den Fall
Karl Biener. Er ist Vertrauensmann der Arbeiterschaft des Böhmerwaldes
und wurde vom Budweiser Schwurgericht im vorigen Jahre zu einer
Kerkerstrafe von 5 Jahren verurteilt. Diese Strafe ist vom Obersten
Gerichtshof von 5 auf 12 Jahre erhöht worden. Um den Inhalt
dieses Falles richtig schildern zu können, will ich seine
Geschichte einigermaßen rekapitulieren. Im Jahre 1925 ist
in der Papierfabrik Spiro in Krumau ein Streik ausgebrochen. In
der Fabrik sind ungefähr 1600 Arbeiter beschäftigt.
Es handelte sich um einen hartnäckigen Kampf. Die Firma hat,
natürlich unterstützt von den Behörden, den erfolgreichen
Versuch gemacht, Streikbrecher heranzuziehen. In dem Maß,
in welchem sich der Kampf verschärfte, steigerte sich auch
die Bitterkeit, von der die Arbeiter erfüllt wurden, als
sie erkannten, daß sie nur durch das Eingreifen der Streikbrecher
um den Erfolg ihres sozialen Kampfes gebracht werden können.
Nun sind während des Kampfes in Teutschmannsdorf, wo einige
der Streikbrecher wohnten, mehrere Häuser abgebrannt. In
Krumau und überhaupt im Böhmerwald ist nun sogleich
der Verdacht aufgetaucht, daß hinter dieser Tat Angehörige
der streikenden Arbeiter stehen. Wiewohl also die Behörden
diesen Verdacht haben konnten, ist es nicht möglich gewesen,
bis zum Jahre 1927 irgendeinen Beweis für die Stichhältigkeit
dieses Verdachtes zu erbringen. Im Jahre 1928 wurden einige Arbeiter
verhaftet auf Grund einer Anzeige, hinter der ein gewisser Filous
steckt, aber hinter diesem Filous, der mit Recht so heißt,
steckt wieder der Direktor Wild, der von der Firma Spiro, der
zwar Wild heißt, aber mit mehr Recht so heißen könnte,
wie der Kronzeuge in diesem Prozeß: nämlich Filous.
Dieser Wild hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die besten Vertrauenspersonen
der kommunistischen Bewegung im Böhmerwald und besonders
in Krumau unmöglich zu machen. Wenn man die Akten des Prozesses
durchgeht, dann muß man keineswegs Jurist sein, um sogleich
zu sehen, daß der ganze Prozeß auf die Wühlereien
des Direktors Wild von der Firma Spiro zurückzuführen
ist, der sich seinerseits wieder hinter den Kronzeugen Filous
ist eckte. In Verbindung mit der Gendarmerie ist es möglich
gewesen, eine ganze Reihe von Arbeitern zu verhaften und gegen
sie die Anzeige zu erstatten, daß sie im Jahre 1925 die
Häuser in Teutschmannsdorf in Brand gesteckt hätten.
Dem Direktor Wild ging es nicht um die Entdeckung der Urheber
jenes Verbrechens, sondern ihm war es ausschließlich um
die beiden Vertrauensmänner, Karl Biener und den Stadtrat
Max Bierer, die Funktionäre der kommunistischen Partei sind,
zu tun. Die Arbeiter saßen nun mehrere Monate in Untersuchungshaft.
Das erste Ergebnis bestand darin, daß Max Bierer entlassen
werden mußte, da ihm nicht das geringste nachgewiesen werden
konnte. Die Schwurgerichtsverhandlung gegen die übrigen ist
im Dezember vorigen Jahres in Budweis durchgeführt worden.
Ein christlichsoziales Blatt, der "Krumauer Landbote",
hat über den Prozeß sehr ausführlich berichtet
und auch den Eindruck wiedergegeben, den der Berichterstatter
von dem Kronzeugen hatte, auf dessen Aussage die ganze Anklage
aufgebaut war. Der "Landbote" schreibt in seinem Bericht:
"Der unbefangene Zuhörer hat den Eindruck, daß
Filous selbst das Bestreben hat, irgendjemanden zu schonen, andere
aber recht einzutunken." Im "Landboten", der einen
stenographischen Bericht über die Verhandlung veröffentlichte,
heißt es, daß Filous über sein Verhältnis
zu Direktor Wild Folgendes wörtlich ausgesagt hat: "Der
Direktor Wild ist fast alle Tage gelaufen gekommen und hat mir
fast alles vorgesagt und mich auch instruiert, wie ich aussagen
soll. Wild ist selber zur Gendarmerie gegangen." Der Tatbestand
ist absolut klar. Ich wiederhole, daß man keineswegs Jurist
sein muß, um zu erkennen, welche Schurkerei hinter diesem
Prozeß eine Rolle spielt. Daß dieser Wild hier ganz
öffentlich der Beeinflussung der Zeugen überführt
worden ist, daß gerichtsmäßig festgestellt worden
ist, daß Wild den Filous zu einer Aussagegezwungen bezw.
gepreßt hat, das ist vollständig einwandfrei. Ich brauche
wohl vor denjenigen èechoslovakischen Staatsbürgern,
die schon etwas von der èechoslovakischen Klassenjustiz
wissen, nicht zu sagen, daß es dem Staatsanwalt nicht eingefallen
ist, etwa gegen den Wild Schritte zu unternehmen. Wild selbst
war einvernommen worden und die Geschworenen
wie auch die Berufsrichter haben gesehen, wer Wild ist; sie waren
gewiß überzeugt davon, daß die Aussage des Kronzeugen
auf die Einflüsterungen des Wild zurückzuführen
ist. Aber natürlich hat die Staatsanwaltschaft gegen ihn
nichts unternommen. Das Urteil der Geschworenen stützt sich
ausschließlich auf die Aussage des Kronzeugen und der Kronzeuge
war in der Zeit, in der er aussagte, wegen falscher Zeugenaussage
in Untersuchungshaft. Seine Aussage also bildet das Fundament
der Anklage, wegen seiner Aussage wurden die Angeklagten verurteilt
und nun kommt noch dazu, daß eine der Hauptfragen, die sich
auf den Genossen Karl Biener bezieht, verneint worden ist und
zwar die sechste Hauptfrage; sie lautet: "Ist Karl Biener
schuldig, er habe kurz vorher in Böhm. Krumau Johann Filous
aufgefordert und zu verleiten gesucht, daß er nachts am
26. April 1925 eine Handlung unternehme, aus welcher nach seinem
Anschlag an fremdem Eigentum, dem Hirtenhaus in Turkowitz eine
Feuersbrunst entstehen sollte, welche Einwirkung jedoch ohne Erfolg
geblieben ist?" Diese Hauptfrage wurde von den Budweiser
Geschworenen, die durchaus auch klassenmäßig eingestellt
waren und sich in ihrem Verhalten als Klassenfeinde zeigten, verneint.
Also die Geschworenen selbst waren der Ansicht, daß der
Hauptangeklagte Karl Biener nicht schuldig sei, den Kronzeugen
beeinflußt zu haben, irgendein Verbrechen zu begehen, der
Kronzeuge aber hat die Verläßlichkeit seiner Aussage
gerade mit dem Hinweis darauf zu stützen versucht, daß
er von Karl Biener verleitet worden sei, ein Verbrechen zu unternehmen.
(Pøedsednictví ujal se pøedseda
Malypetr) Die Geschworenen lehnen diese
Behauptung ab und trotzdem kommt das Geschworenengericht, bezw.
die Berufsrichter zu dem Schlusse, alle Angeklagten zu verurteilen
und zwar den Genossen Biener zu 5 Jahren schweren Kerkers. Damals
waren es nicht nur Kommunisten und kommunistische Blätter,
die vollkommen davon überzeugt waren, daß es sich um
einen Akt ausgesprochener Klassenjustiz handelte.
Dennoch findet sich in der Urteilsbegründung
ein Satz, der ganz deutlich zeigt, daß es dem Berufsrichter
darauf angekommen ist, wenigstens den Schein zu wahren und so
zu tun, als ob er sich streng an die gesetzlichen Bestimmungen
halten wollte. Da heißt es in der Urteilsbegründung:
"Bei allen wurde berücksichtigt die heftige Gemütsbewegung
wegen des Streiks, bei den ersten vier Verurteilten auch das Geständnis,
ferner als mildernder Umstand die Familien der Angeklagten."
Gegen das Urteil hat der Staatsanwalt Berufung
eingelegt und vor einigen Wochen hat sich nun der Oberste Gerichtshof
in Brünn mit dem Falle beschäftigt und das Urteil aufgehoben.
Das Gericht verhandelte unter dem Vorsitze des Senatspräsidenten
des Obersten Gerichtes Hernritt, es hob, wie ich schon sagte,
das erste Urteil auf und erhöhte das Strafausmaß bezüglich
des Genossen Biener von 5 auf 12 Jahre schweren Kerkers. Man muß
sich hier vor allem vor Augen halten, daß selbst das Budweiser
Geschworenengericht, das sich gewiß nicht aus Freunden der
Arbeiter und keineswegs aus Freunden der Kommunisten zusammensetzt
- es hat sieh aus Bauern, aus Bürgern, also gleichsam aus
Leuten zusammengesetzt, die die größten Gegner des
Kommunismus und der revolutionären Bewegung sind - nicht
versäumt hat, darauf hinzuweisen, daß es sich bei der
Tat nicht um ein gewöhnliches, gemeines, ehrloses Verbrechen
handelt. Denn sonst hätte man in der Urteilsbegründung
nicht den Satz finden können, daß bei allen Angeklagten
heftige Gemütsbewegung wegen des Streiks zu berücksichtigen
war. Selbst die Klassenrichter, die in Budweis zu dem Fall Stellung
nahmen, mußten, wenigstens um den Schein zu wahren, deutlich
aufzeigen, daß die Triebkraft nicht in einem ehrlosen Motiv
zu suchen sei. Dabei ist noch zu bemerken, daß in der Budweiser
Verhandlung nicht der Schatten eines Beweises für die Schuld
der Angeklagten erbracht worden ist, es sei denn, daß man
die während der Verhandlung zusammengebrochene Aussage des
Kronzeugen Filous als Beweis annehmen will, daß die Schuld
der Angeklagten erwiesen sei.
Und nun kommt der Oberste Gerichtshof, erhöht
die Strafe von 5 auf 12 Jahre. Nehmen wir für einen Augenblick
an, daß die Angeklagten ausnahmslos schuldig wären,
daß ihnen die Schuld nachgewiesen worden wäre, es sei
erwiesen, daß Karl Biener an diesem Verbrechen beteiligt
war, meinetwegen, daß er der Anstifter gewesen sei. Nehmen
wir diese unbewiesenen Behauptungen als Tatsachen. Was folgt daraus?
Daß kein Mensch, der mit einiger Objektivität an die
Prüfung dieses Falles herantritt, sagen kann, daß es
sich dem Genossen Biener darum gehandelt hat, aus ehrlosen Motiven
ein Verbrechen zu begehen. Wer diese Dinge überprüft,
wird verstehen, daß selbst, wenn es wahr wäre, was
unbewiesen ist, daß Karl Biener schuldig sei, das Verbrechen
begangen zu haben, daß selbst bei dieser Voraussetzung Karl
Biener diese Tat in dein Glauben begangen hat, etwas im Interesse
der kämpfenden Arbeiterklasse zu unternehmen. Ich wiederhole:
Das Budweiser Schwurgericht hat nicht den Schatten eines Beweises
dafür erbracht, daß die Angeklagten schuldig sind,
das Verbrechen begangen zu haben. Aber wenn wir auch annehmen,
daß Karl Biener schuldig wäre, daß seine Schuld
bewiesen wäre, auch dann versteht ein jeder, daß Biener
das, was er unternommen hat, in dem Glauben unternahm, er diene
damit den Interessen seiner Klassengenossen. Was jeder andere
versteht, versteht natürlich auch der Vorsitzende des Obersten
Gerichtes in Brünn.
Es ist klar, daß er und seine Berufskollegen
genau wissen, daß Karl Biener kein gemeiner Verbrecher ist,
selbst wenn man ihm nachweisen könnte, daß er die Tat
begangen hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhange daran, daß
es im Jahre 1924 in Prag einen großen Prozeß gegen
Brandstifter, gegen mehr als 20 Agrarier gegeben hat, denen nachgewiesen
worden ist, daß sie ihre Häuser vorsätzlich zu
dem Zwecke angezündet haben, um sich die Versicherungssumme
zu erschwindeln, daß sie mit voller Überlegung ein
gemeines, ehrloses Verbrechen begangen haben. Das Urteil gegen
die mehr als 20 Agrarier lautete auf zwei Monaten Arrest bis 1
Jahr Kerker. Und dennoch wußte jeder Mensch, und vor allem
jeder Jurist, daß es sich in diesem Falle um gemeine Verbrecher
handelte, die aus ganz ehrlosen Motiven die Tat unternommen haben.
Wir haben natürlich keine Möglichkeit, den Herrn Herrnritt
zur Rede zu stellen. Wenn wir mit ihm diskutieren könnten,
wäre es interessant zu hören, wie er sich zu dieser
Frage stellt und wie er uns den Unterschied zwischen dem Prozesse
aus 1924 gegen die 20 Agrarier und den Prozeß gegen die
Arbeiter aus Krumau erklären würde. Die Arbeiter aus
Krumau, von denen jeder weiß, daß sie, selbst wenn
man ihnen die Schuld nachweisen könnte, aus keinem ehrlosen
Motive gehandelt haben, wurden zunächst zu 5 Jahren verurteilt,
dann kommt der Herr Herrnritt, nützt die sogenannten gesetzlichen
Bestimmungen bis zur letzten Möglichkeit aus und erhöht
die Strafe von 5 auf 12 Jahre schweren Kerkers, derselbe Herr
Herrnritt, dem der Prozeß aus dem Jahre 1924 - er ist nicht
erst seit vorgestern Klassenrichter, er versieht das Amt schon
viele Jahre, er kennt den Prozeß aus 1924 - nicht unbekannt
sein kann. Er wußte ganz genau, was er unternommen hat,
er hat aus voller Überzeugung, aus klarstem Bewußtsein
heraus eines der schamlosesten Urteile der Klassenjustiz ermöglicht.
Wenn man sich vorstellt, welche Wirkungen solche Urteilssprüche
haben, kann man erst recht das ganze Ausmaß dieser richterlichen
Niederträchtigkeit ermessen.
Wir wenden uns mit keiner Bitte an den Klassengegner.
Was ich mit vollem Nachdruck hier sagen will, ist dies: wir wollen
keine Schonung, wollen gar kein Entgegenkommen von Seiten unserer
Klassenfeinde, wir wollen aber an solchen Fällen zeigen,
wie unversöhnlich nicht nur die Bourgeoisie, sondern der
ganze bürgerliche Staat mit all seinen Einrichtungen und
besonders mit seiner Justiz der Arbeiterschaft und der Idee des
revolutionären Klassenkampfes gegenübersteht. Solche
Beispiele zeigen uns, daß die Bourgeoisie alle Einrichtungen
des Staates, vor allem aber die Justiz ausnützt, in der schamlosesten
Weise ausnützt im Interesse ihres Klassenkampfes, aber auch
zum Zwecke des geradezu persönlichen Kampfes gegen die Wortführer
der Arbeiterklasse. Wenn im Klassenkampf sich Klasse gegen Klasse
gegenübersteht, wenn wir Streiks organisieren und führen
und wenn die Bourgeoisie die Machtmittel des Staates ausnützt,
solange sie es kann und so lange die Arbeiterklasse die Kraft
nicht hat, die Bourgeoisie niederzuwerfen, ist alles in bester
Ordnung. Auf der einen Seite die Bourgeoisie mit ihrem Staat,
ausnützend alle seine Einrichtungen - auf der anderen Seite
die Arbeiterklasse, die den Versuch macht, so zu kämpfen,
daß früher oder später die Bourgeoisie geschlagen
wird, und um der Bourgeoisie die politische Macht aus den Händen
zu nehmen. Aber es gibt im Klassenkampfe und während des
Klassenkampfes solche Züge, die mit einer sachlichen Abschätzung
der Klassenkampfmotive nichts zu tun haben. Ein solcher Klassenrichter,
wie z. B. jener, der das Urteil über Biener gefällt
hat und es fertig gebracht hat, seine Position einem völlig
wehrlosen Menschen gegenüber auszunützen, handelt aus
purer, persönlicher Gehässigkeit. Es ist eine der widerlichsten
Erscheinungen im Klassenkampf, wenn man beobachten kann, wie die
Diener im Klassenkampf der Bourgeoisie über das, was sie
sachlich tun sollen, hinausgehen und ihren persönlichen,
gehässigen Motiven Luft verschaffen. Einen solchen Fall haben
wir vor uns. Ich bin sicher, daß ein solcher Berufsrichter
sich denkt: Es genügt nicht, die Kommunisten anzugreifen,
sie in der Presse, Literatur und sonst zu bekämpfen, sie
im Klassenkampf mit den Hilfsmitteln des bürgerlichen Staates
zu bekämpfen, man muß weiter gehen, man muß,
so denken die Herren Herrnritt offenbar, darüber hinausgehen
und jedem, den wir erwischen, der uns vor die Schranken des Gerichtes
geschleppt wird, zeigen, daß wir alle Mittel, die uns das
Gesetz an die Hand gibt, ausnützen, um ihn unmöglich
zu machen, ihn persönlich zugrunde zu richten. Denn was bedeutet
es, einen Arbeiter, der schon vom Schwurgerichtshof zu 5 Jahren
verurteilt worden ist, diese Strafe auf 12 Jahre hinaufzusetzen?
Wenn niemand da wäre, der dem Arbeiter helfen würde,
würde das nichts anderes bedeuten, als daß man erstens
diesen Arbeiter selbst zugrunde richtet, ferner, daß man
auch die Familie des betreffenden zugrunde richtet. Nicht nur
er soll es spüren, daß vorläufig der Klassengegner
stärker ist, nein, seine Frau muß es spüren, seine
Kinder müssen es spüren. Wenn niemand da wäre,
der dem Genossen Biener helfen würde, müßte seine
Familie, müßten seine 4 Kinder unweigerlich zugrunde
gehen. Das ist der Zweck der Übung, das ist der eigentliche
Sinn der Klassenjustiz, daß sie es versteht, über den
Rahmen des allgemeinen, sagen wir sachlich begründeten Klassenkampfes
hinauszugehen und auf das Gebiet des Persönlichen hinüberzugehen
und nicht nur den niederzuschlagen, den sie vor ihre Schranken
bekommt, sondern darüber hinaus auch seine Angehörigen
zu vernichten. Nun, wir grüßen von hier aus den Genossen
Karl Biener als einen der mutigsten, tapfersten, edelsten und
selbstlosesten Vorkämpfer des èechoslovakischen
Proletariats, dessen Qualitäten hoch über den Qualitäten
aller möglichen Klassenrichter stehen; wir grüßen
den Genossen Biener, und er und seine Familie sollen wissen, daß
das klassenbewußte Proletariat sie nicht
im Stiche lassen wird. Die lächerliche, tölpelhafte,
primitive Spekulation aller Feinde des revolutionären Proletariats,
daß man jetzt aus einer Reihe von Gründen, die zu den
innern Fragen der kommunistischen Partei gehören, mehr unternehmen
könnte gegen das klassenbewußte Proletariat, diese
primitive alberne Spekulation wird sich rascher, als die Wortführer
der Bourgeoisie glauben, als vollständig unbegründet
erweisen. Hinter Karl Biener, wie hinter jedem Revolutionär,
steht ungeachtet der Differenzen innerhalb irgendwelcher Parteien
die Kraft des klassenbewußten Proletariats und dieses Proletariat
wird es fertigbringen, durch die schmutzige Rechnung der Klassenjustiz
einen Strich zu ziehen. Wir können dem Herrn Herrnritt sagen,
es wird der Klassenjustiz nicht gelingen, die Familie des Karl
Biener zugrunde zu richten: das Proletariat wird diese Absicht
vereiteln.